Ortstermin: Bei dieser Veranstaltung konnten sich Schüler*innen auch über das Friseurhandwerk informieren
Vor über 70 Jahren war in Hildesheim die Geburtsstunde von SCHULEWIRTSCHAFT. Heute ebnet das regional verankerte und bundesweit tätige Netzwerk zur partnerschaftlichen Kooperation von Schulen und Unternehmen jungen Menschen den Weg in die Arbeitswelt. Auf Landesebene wird die Initiative durch die Bildungswerke der Arbeitgeber in Partnerschaft mit Ministerien getragen — vor allem aber durch das Engagement Tausender ehrenamtlicher Helfer*innen. Wie das im Detail funktioniert und was Jugendliche heute ganz besonders brauchen, hat SKILLS bei SCHULEWIRTSCHAFT in Bayern erfahren.
Bei uns kann man einfach an klopfen und sagen: ,Ich brauche Hilfe, ist jemand für mich da?‘.“
Bald 20 Jahre ist Pia Schwarz schon für das Netzwerk im Einsatz. Die Pädagogin und Sozialpsychologin ist beim Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw e. V.) gemeinsam mit ihren Kolleg*innen Dreh- und Angelpunkt, um SCHULEWIRTSCHAFT Bayern weiter voranzubringen. „Wir kümmern uns um das ehrenamtliche Netzwerk“, erklärt die hauptamtliche Geschäftsführerin. Sie ist nah dran an den Profis aus Schule und Wirtschaft, „die gemeinsam Ideen entwickeln, wie sie die Kinder, die Schüler*innen vor Ort, auf ein gutes Leben vorbereiten können“.
Zu einem guten Leben gehöre eine gute, solide Berufsorientierung, so Pia Schwarz. Daher sei der Dialog zwischen Unternehmen und Schule vor Ort so wichtig, um sich im Sinne der Schüler*innen zu verständigen und diese auch zu vermitteln — etwa für Praktika —, anstatt aneinander vorbei zu agieren. Neben der Berufsorientierung liegt der Fokus im Netzwerk auch auf ökonomischer Bildung, Eltern- sowie MINT-Bildung. Als MINT werden die Zukunfts- und Innovationsfächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik verstanden.
Echtes Erleben im Hier und Jetzt
Viele Jugendliche wüssten noch nicht, dass ihre Region beruflich voller Möglichkeiten stecke. Ihnen diese Vielfalt näherzubringen, sei eine wichtige Aufgabe, so Pia Schwarz. Natürlich sei Social Media ein wichtiger Kanal, um den Nachwuchs zu erreichen. Aber der Angebotsmix sei wichtig, auch Veranstaltungen und Events zum echten Erleben. „Die Begegnung von Mensch zu Mensch ist durch nichts zu ersetzen, auch bei der Beratung“, erklärt die Pädagogin. „Wir haben während der Pandemie erlebt, dass digitale Events zur Berufsorientierung zwar möglich sind, aber das persönliche Gespräch nicht ersetzen.“ Vielleicht, so ergänzt die Expertin, sei es eine Zauberformel von SCHULEWIRTSCHAFT, beharrlich auf das Erleben in der Praxis zu setzen. Dazu zählten Berufs- und Erlebnismessen, Kompetenz-Workshops und vor allem: Schülerpraktika. „Sich zu erleben, bei einer Tätigkeit zu spüren, das geht nur analog“, ist Pia Schwarz überzeugt. Umso wichtiger sei es, in möglichst vielen Netzwerkunternehmen Praktikumsplätze für Schüler*innen zur Verfügung zu stellen, damit der Fachkräftenachwuchs sich ausprobieren könne.
Starke Partner helfen
Bei der beruflichen Orientierung müsse kein Jugendlicher alleine bleiben. „Ich würde als junger Mensch erst einmal schauen, wer an meiner Seite ist. Wer möchte mit mir diesen Weg gehen? Sind es die Eltern, ist es jemand anderes?“, rät die Bildungsexpertin. „Wir haben in Bayern auch an den Schulen gut ausgebildete Menschen, etwa die SCHULEWIRTSCHAFT-Expert*innen an den Mittelschulen oder die Koordinator*innen für berufliche Orientierung (KBO) an Realschulen und Gymnasien.“ Wenn die Eltern nicht bereit seien oder einfach nicht könnten, gäbe es in vielen Schulen auch Lehrkräfte als Ansprechpartner*innen — und eben auch die Ehrenamtlichen aus dem lokalen Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT. Zusätzlich kann es auch hilfreich sein, sich an die örtliche Berufsberatung der Agentur für Arbeit zu wenden.
Nicht zuletzt könnten sich Suchende auch direkt an die Geschäftsstelle von SCHULEWIRTSCHAFT Bayern im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e. V. wenden: „Bei uns kann man einfach anklopfen und sagen: ,Ich brauche Hilfe, ist jemand für mich da?‘“, empfiehlt Pia Schwarz. Es gebe zum Beispiel spezielle Angebote für Mädchen, spannende Projekte im MINT-Bereich oder die Praktikumsbörse „sprungbrett bayern“ mit über 30.000 Praktikumsangeboten für Schüler*innen. „Und selbst wenn mal ein Praktikum nicht so toll war, so dient das doch der Erkenntnis: ,Das war nichts für mich — gut, dass ich das weiß!‘ Es gilt: sich nicht demotivieren zu lassen, sondern dranzubleiben!“
Die Begegnung von Mensch zu Mensch ist durch nichts zu ersetzen, auch bei der Beratung.“
Beispielhaft: Schulen mit Siegel
Um Schulen noch stärker zu motivieren, Jugendliche bei der Berufswahl zu unterstützen, gibt es bei SCHULEWIRTSCHAFT mit dem Berufswahl-Siegel eine Auszeichnung für gute Berufs- und Studienorientierung — Schule mit Brief und Siegel, sozusagen. Junge Menschen wissen oft nicht, wo ihre Stärken liegen, welcher Beruf passt und welche beruflichen Möglichkeiten sie haben. Das Siegel macht die Schule als kompetente Ansprechpartnerin besser sichtbar, und es hilft den Verantwortlichen dabei, Berufsorientierung richtig anzupacken.
Bevor sie mit dem Siegel ausgezeichnet wird, hat eine Schule einen längeren Kriterienkatalog zu erfüllen. Dazu zählen zum Beispiel ein verbessertes Angebot bei der Berufs- und Studienorientierung, die Vermittlung praxisnaher Erfahrungen und insbesondere Partnerschaften mit externen Unternehmen und Einrichtungen. „Eine Schule braucht im Schulprofil Partner in der Arbeitswelt. Mit ihnen lassen sich spannende Projekte umsetzen, was wiederum die Realität der Schüler*innen bereichert“, erklärt Pia Schwarz. Ein weiterer Aspekt sei die Einbindung der Erziehungsberechtigten. „Wir haben bei SCHULEWIRTSCHAFT ein neues Projekt entwickelt, „#parentsonboard“. Damit wollen wir Eltern darin stärken, als Partner an der Seite ihrer Kinder zu agieren statt ihnen im Weg zu stehen. Schließlich geht es darum, Talente zu erkennen und nicht dem elterlichen Willen zu folgen.“
Neben den Unternehmen könnten sich auch Schulen im Netzwerk intensiv austauschen, betont Pia Schwarz. Das Besondere: In diesem Forum mischen sich Profis über Schularten hinweg. Insbesondere die Lehrkräfte der Mittelschulen seien sehr stark beim Thema Berufsorientierung involviert. Schließlich sei diese historisch bedingt für die Schulabgänger*innen viel früher ein Thema als etwa auf dem Gymnasium. Doch unter dem Strich brächten sich alle Schularten mit ihren Kompetenzen ein und inspirierten sich gegenseitig zu guten Ideen.
Ich würde als junger Mensch erst einmal schauen, wer an meiner Seite ist. Wer möchte mit mir diesen Weg gehen?“
Alle könnten mithelfen
Ein besonderes Anliegen bleibt für Pia Schwarz jedoch die Jugendarbeit selbst: „Mir ist es sehr wichtig, dass wir versuchen, die jungen Menschen und ihre Situation zu verstehen.“ Sie wären in einer schwierigen Situation, es gäbe einen hohen Anstieg psychischer Erkrankungen, viele junge Menschen gingen nicht nur durch die Krise der Pubertät. Da sei es wichtig, sie nicht abzustempeln. „Es sind wunderbare junge Menschen, die einfach Zeit brauchen, gute Angebote und andere Menschen, die sich um sie kümmern.“
In diesem Sinne appelliert die Geschäftsführerin von SCHULEWIRTSCHAFT in Bayern abschließend an die Gemeinschaft: Es bräuchte noch mehr Menschen, die sich tatkräftig im Ehrenamt für die Ideen der Initiative einsetzten, Institutionen allein schafften das nicht. „Es ist unser aller Aufgabe, junge Menschen in die Zukunft zu bringen“, erklärt Pia Schwarz. Dafür, so ihr schlagkräftiges Argument, würden alle gemeinsam auch von den gesellschaftlichen Vorteilen profitieren — die Sicherung von Fachkräften ebenso wie die Sicherung des sozialen Friedens.