Alpenspeds neues Organisationsprinzip fügt sich in eine nachhaltige Strategie ein, die auf den drei Säulen Wirtschaftlichkeit, Umweltschutz und soziale Verantwortung basiert.
„Wie soll ich mich denn motivieren? Ich komme ja nicht weiter.“ Diese oder ähnliche Klagen hörte Christian Faggin wiederholt von Mitarbeitenden — und das, obwohl der Geschäftsführer des Logistikdienstleisters Alpensped bereits systematisch in die Zufriedenheit seines Teams investierte: durch Incentives, Afterwork-Events und klassische Weiterbildungen.
Er fragte sich: Wie lassen sich Mitarbeitende langfristig motivieren und an das Unternehmen binden, wenn die Aufstiegsmöglichkeiten begrenzt sind?
Inzwischen hat er dafür eine Lösung gefunden: Alpensped ersetzte seine klassische Hierarchie durch ein kreisförmiges Organisationsmodell. Statt vertikaler Karrierewege rückten Weiterbildung und horizontale Entwicklungsmöglichkeiten in den Fokus.
Entwicklung in die Breite gedacht
„Als Mittelständler stehen wir in Konkurrenz zu den großen Playern unserer Region. Deshalb brauchen wir eine besonders klare Abgrenzung im Employer-Branding“, berichtet Faggin.
Nach intensiven Workshops und Weiterbildungen verabschiedete das Unternehmen 2022 sein neues Organisationsmodell. Es ermöglicht Mitarbeitenden, über ihre klassischen Aufgaben hinaus tätig zu werden und neue Kompetenzen zu entwickeln.
„Besonders prägend war für mich in dieser Zeit der Film ‚Die stille Revolution‘ – ein Werk über die Neuausrichtung von Unternehmen im Bereich Personalmanagement und Personalführung“, erinnert sich der Geschäftsführer.
Ein hierarchisches Organigramm ist ein geschlossenes System. Im schlimmsten Fall sitzt eine Mitarbeiterin 20 Jahre lang an ein und derselben Stelle und fühlt sich eingesperrt.“
Die Ausgangssituation: Gefangen im System
„Ein hierarchisches Organigramm ist ein geschlossenes System. Im schlimmsten Fall sitzt eine Mitarbeiterin 20 Jahre lang an ein und derselben Stelle und fühlt sich eingesperrt“, erklärt Christian Faggin weiter.
Das neue Modell erlaubt es den Mitarbeitenden, neben ihrer Kernfunktion weitere Aufgaben zu übernehmen. Christian Faggin nennt Beispiele: „Eine Mitarbeiterin macht die Abrechnung und hilft mir, unseren Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Ein Kollege ist in der Disposition tätig und nebenbei auch Sicherheitsbeauftragter. Unsere Abteilungsleiterin im Bereich Finanzen und Buchhaltung engagiert sich im Umwelt- und Qualitätsmanagement.“
Diese Struktur verschafft den Mitarbeitenden nicht nur Abwechslung im Arbeitsalltag, sondern ermöglicht auch kontinuierliches Lernen und persönliche Entfaltung. Statt sich in nur einer Funktion zu spezialisieren, können sie verschiedene Fähigkeiten ausbauen und unterschiedliche Interessen verfolgen.
(Quelle: Studio Kauffelt)
Christian Faggin, Geschäftsführer Alpensped
Wie alternative Rollen gefunden werden
Und wie kommen die Mitarbeitenden bei Alpensped zu ihren neuen Aufgaben?
„Projekte werden im Intranet ausgeschrieben, verbunden mit der Einladung, sich darauf zu bewerben", erklärt Christian Faggin. „In einigen Fällen spricht die Geschäftsführung bestimmte Personen gezielt an. Mit rund 30 Mitarbeitenden haben wir einen guten Überblick über Interessen, Potenziale und Kapazitäten im Team.“
Führungskräfte als Coaches
Ein zentraler Aspekt der neuen Betriebsorganisation ist die veränderte Rolle der Führungskräfte. Diese agieren weniger als Vorgesetzte, sondern vielmehr als Coaches, die bei Bedarf beratend zur Seite stehen.
„Unsere Mitarbeitenden sind am Gewinn beteiligt. Wir sehen sie als Mitunternehmer*innen“, erklärt Faggin. „Nehmen wir an, eine Person hat in ihrer Funktion einen Fehler gemacht. Dann bestrafe ich diese Mitarbeiterin oder diesen Mitarbeiter nicht und kontrolliere auch nicht strenger. Sondern ich lasse sie oder ihn in der Verantwortung und vertraue darauf, dass der Fehler eigenständig behoben wird. Wenn jemand damit nicht weiterkommt, ist eine Führungskraft da, um zu beraten oder zu helfen. Diese positive Fehlerkultur fördert eigenverantwortliches Handeln und baut Ängste ab. Unser Team erlebt ein Umfeld, in dem Fehler als natürlicher Teil des Lernprozesses akzeptiert werden.“
Unsere Azubis sollen sich auf keinen Fall langweilen und wochenlang ohne neuen Input verkümmern. Stattdessen motivieren wir sie, stetig neue Fähigkeiten zu entwickeln.“
Ausbildung im dynamischen Organisationsmodell
Auch die Ausbildung bei Alpensped passt sich dem neuen Organisationsmodell an. Früher durchliefen Auszubildende alle Bereiche des Unternehmens. Dieses Konzept wurde zu einem dynamischen Ausbildungsplan weiterentwickelt. „Leider ist es in vielen Unternehmen so, dass Auszubildende in manchen Abteilungen ‚geparkt' werden“, so Faggin. „Genau das möchten wir vermeiden. Unsere Azubis sollen sich auf keinen Fall langweilen und wochenlang ohne neuen Input verkümmern. Stattdessen motivieren wir sie, stetig neue Fähigkeiten zu entwickeln. Wenn sie freie Kapazitäten haben, entscheiden die Azubis selbst, wo sie sich weiterbilden wollen. Sie können beispielsweise in die IT-Abteilung gehen oder an Schulungen teilnehmen — online oder in Präsenz.“
Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmensphilosophie
Das kreisförmige Organisationsmodell fügt sich in die nachhaltige Unternehmensphilosophie von Alpensped ein. Diese ruht auf drei Säulen: Wirtschaftlichkeit, Umweltschutz und soziale Verantwortung. Letztere zeigt sich nach außen durch Spenden und die Freistellung von Mitarbeitenden für ehrenamtliche Arbeit.
Nach innen bedeutet soziale Verantwortung: Mitarbeitende sollen sich wohlfühlen und wachsen können. Genau das leistet das neue Organisationsmodell.
(Quelle: Alpensped)
Das dynamische Organisationsmodell von Alpensped bietet Mitarbeitenden horizontale Entwicklungsmöglichkeiten und Abwechslung im Arbeitsalltag.
Tipps für Unternehmen, die ähnliche Wege gehen wollen
Unternehmen, die eine solche Transformation anstreben, empfiehlt Christian Faggin, mit einer Bestandsaufnahme der aktuellen Unternehmenskultur zu starten. Diese Analyse kann sowohl durch systematische Mitarbeiterbefragungen als auch durch vertrauensvolle Einzelgespräche mit Beschäftigten aus verschiedenen Bereichen und Hierarchieebenen gestaltet werden.
„Eine der größten Hürden liegt in der Neuverteilung von Macht. Führungskräfte sollten bereit sein, ihre gewohnte Position zu hinterfragen und Verantwortung an ihre Teams abzugeben“, erklärt er. „Außerdem wirkt die gewünschte Veränderung nur glaubwürdig und attraktiv, wenn Inhaber und Führungskräfte aus innerer Überzeugung handeln.“
Besonders wichtig sei der vertrauensvolle Umgang mit den Ergebnissen von Gesprächen und Befragungen im Vorfeld. Mitarbeitende müssen sich sicher sein, dass ihnen ehrliche Äußerungen später nicht zum Vorwurf gemacht werden. Weiter erklärt Faggin: „Vertrauen entsteht auch durch kleine, aber symbolkräftige Veränderungen im Umgang — zum Beispiel dadurch, dass sich im Unternehmen alle duzen. Wir haben außerdem gute Erfahrungen damit gemacht, sämtliche Mitarbeitenden in den Veränderungsprozess mit einzubeziehen. Das funktioniert beispielsweise mit einem Projektteam, das Menschen aus allen Bereichen und den bisherigen Hierarchieebenen zusammenbringt.“
Eine der größten Hürden liegt in der Neuverteilung von Macht. Führungskräfte sollten bereit sein, ihre gewohnte Position zu hinterfragen und Verantwortung an ihre Teams abzugeben.“