1Moderne Technologien wie AR/VR, Robotik und 3D-Druck eröffnen dem Handwerk neue Möglichkeiten — Technologiemonitoring hilft, diese Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.
Das Handwerk steht vor tiefgreifenden Herausforderungen: Der Fachkräftemangel nimmt immer weiter zu, digitale Technologien verändern Arbeitsprozesse rasant, und die Ansprüche der Kund*innen wandeln sich von Tag zu Tag. Hinzu kommen Klimaschutzauflagen, Globalisierung und ein immer dynamischeres Wettbewerbsumfeld.
Damit das Handwerk auch in Zukunft seine Rolle als Innovationsmotor beibehalten kann, muss es sich mehr denn je und vor allem frühzeitig auf technologische Entwicklungen einstellen. Hier setzt das Instrument des Technologiemonitorings an. Es hilft, Trends zu identifizieren, Chancen und Risiken zu bewerten sowie die sich veränderten Anforderungen an die Qualifizierung im Handwerk zu erkennen und daraus konkrete Handlungsoptionen abzuleiten.
Das Heinz-Piest-Institut: Zentrum für Technologiemonitoring
Das Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover (HPI) führt über die Zentrale Leitstelle für Technologietransfer (ZLS) ein kontinuierliches Technologiemonitoring durch. Ziel ist es, für die handwerkliche Leistungserbringung relevante (technologische) Innovationen frühzeitig zu erkennen und zu prüfen, ob die bestehenden Qualifizierungen im Handwerk die aus dem Umgang mit diesen Innovationen entstehenden Anforderungen abdecken.
Vernetzung und Kooperationen als Erfolgsfaktoren
Eine enge Vernetzung mit Forschungseinrichtungen und weiteren Institutionen aus dem Deutschen Handwerksinstitut (DHI) ermöglicht den Wissenstransfer. So gibt es z. B. Kooperationen mit Fraunhofer-Instituten, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) oder Helmholtz-Zentren. Entscheidend für den Erfolg ist aber auch die Zusammenarbeit mit Handwerkskammern und Verbänden sowie mit staatlichen Programmen wie der Förderung der Beratungsstellen für Innovation und Technologie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE).
Die sogenannten Berater*innen für Innovation und Technologie (BIT) unterstützen die Integration neuer Technologien in Handwerksunternehmen und initiieren bzw. begleiten Innovationsaktivitäten.
Unter Technologiemonitoring versteht man die systematische Beobachtung, Analyse und Bewertung technologischer Entwicklungen.“
Was ist Technologiemonitoring? Definition und Methoden
Unter Technologiemonitoring versteht man die systematische Beobachtung, Analyse und Bewertung technologischer Entwicklungen. Dabei werden verschiedene Quellen wie wissenschaftliche Studien, Forschungsprojekte, Markttrends, politische Initiativen oder internationale Entwicklungen herangezogen. Methoden wie Trendanalysen, Technologie-Radare oder Zukunftsszenarien bieten strukturierte Einblicke. Damit das Technologiemonitoring seine Wirkung voll entfalten kann, braucht es bestimmte Rahmenbedingungen. Zu diesen zählen vor allem die kontinuierliche Beobachtung, interdisziplinäre Netzwerke sowie eine anwendungsorientierte Aufbereitung der Ergebnisse. Am HPI werden die Erkenntnisse praxisnah und themenspezifisch in sogenannten Technologie-Steckbriefen aufbereitet, die Betrieben sowie Berater*innen als kompaktes Wissenstool zur Verfügung stehen.
Nutzen für das Handwerk: Vier zentrale Vorteile
Das Handwerk profitiert in vielfacher Hinsicht von einem professionellen Technologiemonitoring.
· Frühwarnsystem: Berater*innen sowie Betriebe erkennen frühzeitig technologische Umbrüche und können rechtzeitig reagieren.
· Innovationsfähigkeit: Neue Verfahren, Werkstoffe oder digitale Tools lassen sich zielgerichtet in die Praxis integrieren.
· Wettbewerbsfähigkeit: Handwerksbetriebe, die moderne Technologien nutzen, sichern ihre Marktstellung und bleiben attraktiv für Kund*innen.
· Fachkräfteentwicklung: Durch frühzeitige Anpassung von Ausbildungs- und Weiterbildungskonzepten können die benötigten Kompetenzen gezielt aufgebaut werden. Das steigert u. a. auch die Arbeitgeberattraktivität.
Das Technologiemonitoring zeigt auf, welche Entwicklungen bereits heute, aber voll allem in der näheren Zukunft, Einzug in die Werkstätten halten. So haben z. B. Künstliche Intelligenz, AR/VR, Robotik und 3D-Druck bereits neue Möglichkeiten für Fertigung, Auftragsabwicklung und Kundenberatung mit sich gebracht. Digitale Aufmaßsysteme sorgen für eine Effizienzsteigerung und Fehlerreduktion auf Baustellen. Nachhaltige Materialien wie ökologische Dämmstoffe, biobasierte Lacke oder recyclingfähige Baustoffe gewinnen immer weiter an Bedeutung durch Klimaschutzauflagen. Smart-Home-Technologien haben besonders im Elektrohandwerk dafür gesorgt, dass neue Geschäftsfelder entstehen, die auf individuelle Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind.
(Quelle: Frolopiaton Palm)
Das Heinz-Piest-Institut führt kontinuierliches Technologiemonitoring durch, um Innovationen für das Handwerk zu identifizieren und Qualifizierungsbedarfe abzuleiten.
Von der Technologie zur Ausbildung
An einem Beispiel lässt sich verdeutlichen, wie sich die Ergebnisse des Technologiemonitorings unmittelbar auf die Gestaltung von Ausbildungs- und Weiterbildungsinhalten im Handwerk auswirken. Der Ausbildungsberuf Elektroniker*in für Gebäudesystemintegration wurde im Jahr 2021 im Zuge der Neuordnung der handwerklichen Elektroberufe geschaffen, um den Anforderungen der Digitalisierung und der Schaffung intelligenter Gebäude gerecht zu werden. Hier zeigt sich, dass durch die frühzeitige Identifikation relevanter Technologien neue Kompetenzen in Ordnungsmittel aufgenommen werden können, um sicherzustellen, dass die Fachkräfte im Handwerk bereits während ihrer Lehrzeit mit digitalen Werkzeugen, nachhaltigen Materialien oder automatisierten Verfahren vertraut gemacht werden.
Das Technologiemonitoring zeigt auf, welche Entwicklungen bereits heute, aber voll allem in der näheren Zukunft, Einzug in die Werkstätten halten.“
Fort- und Weiterbildung: Passgenaue Angebote für die Praxis
Aber auch im Bereich der Fort- und Weiterbildungen ist eine stetige Anpassung und Aktualisierung der Angebote wichtig, um passgenaue Angebote für Gesell*innen, Meister*innen und Unternehmer*innen zu entwickeln. Diese müssen sicherstellen, dass Wissen aktuell bleibt und neue Geschäftsmodelle erschlossen werden können. In diesem Bereich entwickeln Bildungsträger im Handwerk wie Handwerkskammern und Meisterschulen gezielte Angebote, z. B. zu digitalen Werkzeugen, Automatisierung oder nachhaltigen Materialien. Zusätzlich ermöglichen neue Lernformate wie AR/VR-Simulationen, Praxislabore oder Innovationsräume praxisnahe Erfahrungen. Hier ist vor allem die enge Verzahnung der verschiedenen Grundaufgaben und damit Fach Technologiemonitoring für das Handwerk bereiche innerhalb des HPI von Vorteil. Die Erkenntnisse aus dem Technologiemonitoring finden direkten Einzug in die Arbeit der Begutachtung von Förderanträgen zu (digitaler) Ausstattung von Bildungszentren und in die Erarbeitung und Überarbeitung der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung im Handwerk (ÜLU), die das HPI in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fachverbänden durchführt.
Bildung und Technologiemonitoring Hand in Hand
Bildung ist der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit des Handwerks. Nur wenn Betriebe und die Bildungseinrichtungen im Handwerk die Ergebnisse des Technologiemonitorings kontinuierlich in ihre Bildungsarbeit einfließen lassen, bleibt das Handwerk innovativ, wettbewerbsfähig und attraktiv für Nachwuchsfachkräfte.
Dr. Linda Meyer-Veltrup
Zentrale Leitstelle für Technologietransfer Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover