Dabei zeigt sich eine steigende Tendenz. So nahm der Anteil an Kindern mit Eltern ohne Berufsabschluss von 11 Prozent im Jahr 2011 auf fast 18 Prozent im Jahr 2021 zu. Besonders besorgniserregend: Die Zahl der Kinder, deren Eltern nicht einmal einen Schulabschluss haben, ist im gleichen Zeitraum von 3,5 auf 5,5 Prozent gestiegen – das entspricht etwa 765.000 Minderjährigen.
Demografischer Wandel verschärft die Situation
Diese Entwicklung trifft auf einen sich zuspitzenden demografischen Wandel: In den kommenden zehn Jahren werden 13,2 Millionen ältere Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausscheiden, während nur 8,5 Millionen junge Menschen nachrücken. Das bedeutet: Auf 100 ausscheidende Arbeitskräfte kommen rechnerisch nur 65 potenzielle neue Arbeitnehmer. Diese rein zahlenmäßige Herausforderung wird durch die Bildungsproblematik noch verschärft.
Die schwierige sozioökonomische Situation in bildungsfernen Familien verschlechtert die Bildungschancen zusätzlich: Etwa 40 Prozent der Eltern ohne Berufsabschluss und sogar mehr als die Hälfte der Eltern ohne Schulabschluss gehen maximal einer geringfügigen Beschäftigung nach. Häufig leben diese Kinder auch mit mehreren Geschwistern in beengten Wohnverhältnissen, was das konzentrierte Lernen erschwert.
Ungleiche Verteilung auf Schulformen
Die Folgen zeigen sich deutlich im Bildungsweg: Nur 17 Prozent der Schüler aus bildungsfernen Familien besuchen ein Gymnasium, bei Kindern von Eltern ohne Schulabschluss sind es sogar nur 13 Prozent. Der Großteil dieser Schüler findet sich an Hauptschulen, kombinierten Haupt- und Realschulen sowie Gesamtschulen wieder. Zwar zeigt sich in den letzten Jahren eine leichte Verschiebung hin zu höheren Bildungswegen, doch die grundsätzliche Problematik bleibt bestehen.
Die Kompetenzen der Schüler haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert: 2022 galten etwa 30 Prozent der 15-Jährigen als Risikoschüler in Mathematik – ein drastischer Anstieg gegenüber 17,7 Prozent vor zehn Jahren. Besonders alarmierend ist die Situation an Schulen mit ungünstigem sozioökonomischem Status: Hier erreichen fast zwei Drittel der Schüler nicht die mathematischen Mindestanforderungen. Im Gegensatz dazu liegt der Anteil der Risikoschüler an Schulen mit günstigem sozioökonomischem Status bei nur 4 Prozent.
Startchancen-Programm als Lösungsansatz
Als Gegenmaßnahme wurde das Startchancen-Programm initiiert, das mit 20 Milliarden Euro über zehn Jahre etwa 4.000 Schulen – rund 10 Prozent aller deutschen Schulen – unterstützt. Das Programm zielt auf die Modernisierung der Schulausstattung, individuelle Fördermaßnahmen und zusätzliches multiprofessionelles Personal ab. Experten empfehlen jedoch eine deutliche Ausweitung: Eine Vervierfachung des Programms könnte mehr als zwei Drittel der Risikoschüler erreichen, statt wie bisher nur 22 Prozent.
Die Investition würde sich volkswirtschaftlich mehrfach auszahlen: Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergäbe sich allein beim aktuellen Umfang des Programms ein fiskalischer Gesamteffekt von 56,3 bis 112,6 Milliarden Euro – durch höhere Steuereinnahmen und geringere Sozialausgaben über den Lebenslauf der geförderten Schüler hinweg. Eine Ausweitung des Programms würde diese positiven Effekte entsprechend vervielfachen und damit einen wichtigen Beitrag zur Lösung der demografischen und bildungspolitischen Herausforderungen leisten.
Weitere Details direkt in der Studie von IW-Trends.