Das internationale Forschungsteam, bestehend aus Wissenschaftlern des Exzellenzclusters Science of Intelligence (SCIoI), des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB), der Universität Tübingen und der New York University, entwickelte eine virtuelle Nahrungssuche in der dreidimensionalen Blockwelt von Minecraft. „Ein Spiel wie Minecraft zu nutzen, ist sinnvoll, weil es reale Herausforderungen simuliert“, erklärt Ralf Kurvers, Seniorautor der Studie und Senior Research Scientist am MPIB. „Zum Beispiel kann man immer nur einen kleinen Teil der virtuellen Welt sehen und muss sich daher entscheiden, ob man sich auf die eigene Suche konzentriert oder darauf achtet, was die anderen Spielenden tun, um von ihnen zu lernen.“
Virtuelle Nahrungssuche enthüllt soziale Lernmuster
Im Experiment steuerten die Teilnehmenden Avatare, die Minecraft-Blöcke zerstörten, um Ressourcen (Wassermelonen oder Kürbisse) zu finden. Bei jedem Fund erschien ein blauer Funkenschauer, der anderen Spielenden Hinweise auf mögliche weitere Ressourcen liefern konnte. Die Teilnehmenden spielten sowohl allein als auch in Vierergruppen in zwei unterschiedlichen Umgebungen: In „regelmäßigen“ Umgebungen waren die Ressourcen in Gruppen angeordnet, während sie in „zufälligen“ Umgebungen verstreut platziert waren. Diese Variation ermöglichte es den Forschenden, die Wertigkeit sozialer Informationen in verschiedenen Kontexten zu untersuchen.
Bahnbrechende Technologie zur Analyse des Lernverhaltens
Mithilfe einer neu entwickelten computergestützten Methode zur automatisierten Erfassung von Blickdaten konnten die Wissenschaftler mit hoher Präzision messen, welche Objekte, Ereignisse und Mitspielende von jedem Teilnehmenden beobachtet wurden – mit einer beeindruckenden Aufzeichnungsrate von 20 Datenpunkten pro Sekunde.
„Einfach ausgedrückt können wir nun vorhersagen, welchen Block eine Person als Nächstes auswählen wird, indem wir individuelle und soziale Lernstrategien in einem gemeinsamen Modell zusammenführen“, erklärt Charley Wu von der Universität Tübingen. „Dieser neue Ansatz ermöglicht es uns, Lernalgorithmen moderner Künstlicher Intelligenz mit flexiblen sozialen Lernmechanismen zu verbinden.“
Anpassungsfähigkeit als Schlüssel zum Erfolg
Die Ergebnisse der Studie zeigen eindeutig: Menschen sind weder passive Imitatoren noch sture Individualisten. Stattdessen halten sie diese Strategien dynamisch im Gleichgewicht. Die erfolgreichsten Teilnehmenden waren jene, die ihre Strategien flexibel an die jeweilige Situation anpassten. Die Fähigkeit jeder Person, zwischen individuellen und sozialen Lernstrategien zu wechseln, erwies sich als der beste Prädiktor für ihre Leistung. Dies unterstreicht, dass Anpassungsfähigkeit – und nicht starre Strategien – die treibende Kraft menschlicher Intelligenz ist.
Weitreichende Implikationen für die Zukunft
Die Erkenntnisse schließen eine jahrzehntelange Forschungslücke zwischen der Untersuchung individuellen und sozialen Lernens. Die Studie eröffnet neue Perspektiven für das Verständnis der Informationsverbreitung in Gruppen und der Entstehung von Innovationen. Zudem liefert sie wertvolle Hinweise darauf, wie Lernsysteme gestaltet werden können, die adaptives Lernen in sozialen Umgebungen besser fördern – eine Erkenntnis mit potenziell weitreichenden Auswirkungen auf Bildung, Teamarbeit und künstliche Intelligenz.
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