Der Stahlbauer Thomas Kuhla setzt bei der Suche nach neuen Arbeitskräften verstärkt auf Neuzugänge mit Beeinträchtigungen. Für sein Engagement erhielt er im November 2024 den Inklusionspreis seines Landkreises Oberspreewald-Lausitz.
1 Der Funke springt über: Azubi Leon bei der Arbeit.
Ein guter Abschluss steht für Thomas Kuhla nicht unbedingt im Vordergrund. Vielmehr wünscht sich der Unternehmer bei zukünftigen Mitarbeiter*innen Interesse am Thema und eine positive Einstellung. Sein Auszubildender Leon bringt genau das mit, hat zwar eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, doch beim Thema Schweißen macht ihm so schnell keiner etwas vor. Eine nicht ganz alltägliche Erfolgsgeschichte.
Wer auf der Website des Unternehmens ein bisschen schmökert, staunt nicht schlecht: Die Stahl- und Treppenbau Kuhla GmbH in Vetschau/Spreewald bringt es auf 300 Jahre Handwerksgeschichte. So ist es historisch verbrieft, bestätigt Thomas Kuhla, heute der Geschäftsführer. „Mein Großvater hat dann, nach moderner Zeitrechnung, 1960 zunächst mit einer Dorfschmiede angefangen, anfangs für die Landwirtschaft gearbeitet und sich dann ein neues Betätigungsfeld gesucht“, erzählt der Enkel.
Durch die DDR-Zeiten hindurch blieb die Firma in Familienhand, als selbstständiger Handwerksbetrieb. In den 1970er-Jahren lag ein Fokus auf dem Treppenbau, bis heute ein Haupttätigkeitsfeld. Über die Jahre entwickelte sich die ehemalige Schmiede- und Bauschlosserei zu einem modernen Stahlbauunternehmen. Heute fertigen rund 20 Mitarbeiter eine breite Palette an Konstruktionen rund um den Anlagen- und Stahlbau.
Gewinner des Inklusionspreises
Dieser Erfolgsgeschichte hat Thomas Kuhla mit seinen Beschäftigten kürzlich ein ganz neues Kapitel hinzugefügt: Am 26. November 2024 erhielt er aus der Hand von Vertretern aus Politik und Wirtschaft den 1. Platz beim diesjährigen Inklusionspreis seines Landkreises Oberspreewald-Lausitz. Die Anerkennung gab es insbesondere für die Verdienste um die Nachwuchsförderung. Denn das Unternehmen bietet Jugendlichen mit Behinderungen Fachpraktiker-Ausbildungen an.
Natürlich ist der Unternehmer stolz auf die Auszeichnung. Auch wenn er zugeben muss, dass Inklusion zunächst gar nicht so in seinem Fokus stand. „Wir suchten vor einigen Jahren dringend Azubis. Die waren schon in der Vergangenheit schwer zu finden“, schildert Thomas Kuhla die Ausgangslage. Ein Bekannter habe dann einen jungen Mann empfohlen, der an handwerklichen Aufgaben und allem Technischen sehr interessiert sei. Der Betrieb hat den jungen Mann, Leon, eingeladen und versucht, ihm ihr Gewerk, insbesondere die Schweißerei, schmackhaft zu machen. „Da ist natürlich viel Action, wenn die Funken sprühen. Sowas begeistert junge Leute“, beschreibt der Geschäftsführer den Kennlern-Termin. „Und irgendwie ist der Funke dann offenbar übergesprungen.“ Das war vor drei Jahren.
Ich kann allen, die sich mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigen, nur empfehlen, mit den Ämtern in Kontakt zu treten.“
Maßgeschneiderte Unterstützung
Thomas Kuhla zeigt sich bis heute sehr angetan von seinem neuen Mitarbeiter. Leon könne sich noch richtig für Technik begeistern. Er sei auch gar nicht so von den Ablenkungen durch die Medienwelt beeinflusst, hänge nicht dauernd am Handy, wie so viele andere. Dass der junge Mann eine Lernschwäche hat, zeigte sich erst später. Er war auf einer Förderschule, ohne regulären Schulabschluss. Doch sein zukünftiger Chef wollte ihn gern unterstützen und bot ihm eine Ausbildung zum Metallfachpraktiker an, die theoriegemindert und besser auf ihn zugeschnitten ist. Ein weiterer Pluspunkt: Der Abschluss als „echter“ Metallbauer ist dann immer noch möglich.
Als Rollstuhlfahrer kann sich Thomas Kuhla in das Leben mit Beeinträchtigung gut hineinversetzen. Neben Leon arbeitet noch ein weiterer Kollege mit einer Gehbehinderung im Vetschauer Stahlbaubetrieb. Für ihn wurden Stehhocker angeschafft, wegen eines schwachen Kreislaufs muss er sich immer mal ausruhen. Ein Vorteil: Auf dem ganzen Gelände gibt es keine Treppen. „Alle Räume sind auf einer Etage, wir haben auch barrierefreie Toiletten“, erklärt Thomas Kuhla. Vieles wurde nach seinem Unfall damals umgerüstet. Auch ein Betriebstor mit elektrischem Antrieb, das der Unternehmer per Fernbedienung öffnen und schließen kann. Bei allen Maßnahmen hat sich Thomas Kuhla beraten lassen. Dafür seien das Integrationsamt oder Landesamt für Soziales und Versorgung zuständig, erläutert er. „Ich kann allen, die sich mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigen, nur empfehlen, mit den Ämtern in Kontakt zu treten. Dort lernt man auch die ganze Bandbreite an Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung kennen.“
Stolz auf die gemeinsame Leistung
Leon hat keine körperliche Einschränkung. Da gehe es eher um Verständnis und ein bisschen Geduld, auch beim Erklären und Ausprobieren, sagt sein Chef. Dafür hat der Azubi, der inzwischen im dritten Lehrjahr ist, sein Können schon mehrfach unter Beweis gestellt. Im zweiten Lehrjahr hatte Leon am Wettbewerb „Jugend schweißt“ teilgenommen – und auf Bezirksebene den ersten Platz geholt. Daran schloss sich die Landesmeisterschaft an, hier wurde er Zweiter. „Da waren wir schon sehr stolz, auch auf unsere gemeinsame Leistung“, erzählt Thomas Kuhla. Inzwischen sei sein Auszubildender sogar in der Lage, eine gewendete Treppe im Alleingang zu bauen. Da traue sich selbst manch ausgelernter Schlosser mit zehn Berufsjahren nicht so ohne Weiteres dran, weiß der Unternehmer zu berichten.
Inzwischen gibt es bei Kuhla einen zweiten Auszubildenden. Der ist ein Lehrjahr unter Leon und macht als Beschäftigter ohne Beeinträchtigung eine reguläre Ausbildung als Metallbauer. Nach seinem erfolgreichen Rezept im Umgang mit dem Nachwuchs befragt, beschreibt Thomas Kuhla seinen Ansatz. Früher habe man versucht, Menschen zu trimmen, bis sie irgendeine Aufgabe erfüllen. Heute gehe es doch vielmehr darum, Arbeitnehmende nach ihren Stärken und Fähigkeiten einzusetzen. „Trotzdem müssen Jugendliche auch verstehen, dass es Tätigkeiten gibt, die nicht allen Freude bereiten, die aber trotzdem erledigt werden müssen.“
Handwerk hat goldenen Boden, heißt es doch. Das traf schon vor 300 Jahren zu – und gilt heute mehr denn je.“
Zuverlässigkeit & Loyalität
Ein Faktor, der klar für Beschäftigte mit Beeinträchtigung spreche, sei ihre hohe Zuverlässigkeit und Loyalität. Das sei in Zeiten hoher Fluktuation und aggressivem Abwerben sehr viel wert. Und es erspart viel Mühe, wie Arbeitgeber Kuhla an einem Beispiel zeigt. Eine Mitarbeiterin hatte ihn verlassen, weil sie eine Stelle gefunden hatte, die näher an ihrem Wohnort lag. Das sei nachvollziehbar. Doch dem Rest des Teams bringe das Mehrarbeit, die aufgefangen werden müsse. Ihm selbst entstünden hohe Kosten, um die Stelle neu zu besetzen. „Wenn ich das vergleiche mit jemandem, der oder die trotz Handicap gut eingearbeitet ist und einfach gern zur Arbeit kommt, bietet diese Person dem Team doch viel mehr Sicherheit als andere.“
Damit jetzt noch mehr Jugendliche wie Leon Feuer fangen und sich für Handwerk begeistern, hat Thomas Kuhla einen Wunsch: Er möchte, dass sein Metier wieder mehr Anerkennung erfährt, für den beruflichen Nachwuchs an Ansehen gewinnt, vielleicht sogar einfach „cool“ wird. „Wenn die Politik allerdings sagt, alle Jugendlichen sollten möglichst studieren, damit aus Deutschland eine Dienstleistungsgesellschaft wird, halte ich das für eine fatale Fehlentscheidung“, kritisiert der Unternehmer. Das sollte besser wieder raus aus den Köpfen der Jugendlichen. Er selbst hofft daher auf ein Revival. „Handwerk hat goldenen Boden, heißt es doch“. Thomas Kuhla glaubt an das Sprichwort. „Das traf schon vor 300 Jahren zu – und gilt heute mehr denn je.“
Bild: privat
2 Ausgezeichnete Arbeit: Thomas Kuhla und sein Azubi Leon Wolff