Als bei der TUI im Jahr 2020 das Umschulungs- und Weiterqualifizierungsprojekt „for:ward“ bereits in der Planungsphase war, hatte sich das Netzwerk Allianz der Chancen noch gar nicht gegründet. „Wir wussten damals, dass sich gewisse IT-Rollen verändern werden, wir gleichzeitig aber auch sehr viel gutes Personal bei uns im Unternehmen hatten. Uns war schnell klar, dass wir unsere Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen möchten, in neue, zukunftsfähigere Rollen zu wachsen“, erinnert sich Lisa DahmsGlobal Head of Tech People Development bei TUI. Sie wurde damals federführend damit beauftragt, ein Programm aufzusetzen, das Mitarbeitende bei der internen Umschulung begleitet und unterstützt. „Zu der Zeit waren externe Trainings hoch im Kurs, aber so wird man nicht fit für eine gänzlich neue Rolle. Uns war schnell klar: das war nicht unser Weg. Stattdessen brauchen wir ein auf unsere spezifischen Bedürfnisse zugeschnittenes, gesamtheitliches Programm zur Weiterentwicklung.“ Gemeinsam mit den externen Partnern Udacity und Udemy wurde ein globales Entwicklungsprogramm implementiert, welches den Mitarbeitenden Zugang zu den jeweiligen Online-Lernplattformen bietet und damit flexibles und ortsungebundenes Lernen ermöglicht um fit für die Herausforderungen einer sich immer schneller wandelnden Arbeitswelt zu werden.
Allianz vertritt fast 6 Mio. Menschen
Mit dem innovativen Weiterbildungsangebot passt der Touristikkonzern vortrefflich in das Konzept der Allianz der Chancen. „Die Allianz der Chancen wurde immer bekannter und damit wuchs auch unser Wunsch, ein Teil davon zu sein. Die Mitgliedschaft bietet viele Möglichkeiten, über den Tellerrand zu schauen, eigene Erfahrungen zu teilen und voneinander zu lernen“, so Dahms. Die Gründung erfolgte im Jahr 2021 mit 26 Unternehmen. Mittlerweile ist das Netzwerk auf über 60 angewachsen. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Global Player wie Bayer, BASF, Siemens oder die Telekom. Ziel des Zusammenschlusses ist es, die immer schnelleren Veränderungen der Arbeitswelt — sei es durch Klimakrise, Digitalisierung oder demografischen Wandel — proaktiv mitzugestalten, statt nur reagieren zu können. Den Belegschaften sollen wirtschaftlich und sozial nachhaltige Beschäftigungsperspektiven geboten werden, man möchte Beschäftigte auch branchenübergreifend vermitteln. Von der Pharma- über die Automobilindustrie bis weit hinein in den Dienstleistungssektor vertritt die Allianz mittlerweile mehr als 2,7 Mio. Mitarbeitende in Deutschland und 5,8 Mio. weltweit an über 6.050 Standorten (Stand: März 2024). Dabei bietet das Netzwerk neben den zahlreichen Projekten der teilnehmenden Unternehmen auch entsprechende Vernetzungsmöglichkeiten, regelmäßige Treffen sowie Handlungsempfehlungen zum Umgang mit dem allgegenwärtigen Thema Transformation der Arbeitswelt.
Im Safe Space neue Skills erlernen
Beim „for:ward“-Programm der TUI dreht sich alles um die Vermittlung von IT-Wissen an die Belegschaft. So können sich Mitarbeitende komplett neu orientieren, bisherige System Engineers sich beispielsweise zu Software Engineers fortbilden. „Ein zentraler Punkt der Maßnahme ist seit dem Start des Programms die kontinuierliche Weiterentwicklung der Programmstruktur sowie der Inhalte des Programms“, erklärt zudem Global Learning and Development Specialist Nadine Freytag, die for:ward mittlerweile verantwortet. Das Programm besteht seit letztem Jahr aus zwei unterschiedlichen Lernangeboten, für die sich Mitarbeitende bewerben können. Ein Angebot beinhaltet ein rund sechsmonatiges Lernen, bei dem sich die Mitarbeitenden innerhalb von sieben TUI-spezifischen Lernpfaden — beispielsweise zum IT Security Engineer oder Machine Learning Engineer — zusammenfinden. Mitarbeitende bewerben sich vorab für die Aufnahme ins Programm, um sich in ihrer favorisierten Rolle hinein- oder weiterzuentwickeln. Die Anzahl der Plätze je Lernpfad wird dabei vorab nicht festgelegt, sondern gestaltet sich in Anlehnung an die Bewerbungen. Einmal für das Programm ausgewählt, werden die Teilnehmenden zu 30 bis 50 Prozent ihrer Arbeitszeit von ihrem eigentlichen Tagesgeschehen freigestellt, um sich auf das Lernen konzentrieren zu können. In der Online-Akademie Udacity stehen dazu „Real-Life- Projects“ zur Verfügung – praxisnahe Aufgaben, die auf die zukünftige Rolle vorbereiten. Nadine Freytag erklärt: „Die for:ward Teilnehmenden können sich in den fachrelevanten Projekten in einem Safe Space ausprobieren. Da gibt es keine maximale Anzahl an Versuchen. Die Hauptsache ist, dass die Teilnehmenden tiefgreifend verstehen, wie sie mit den zu erlernenden Skills umgehen können. Dabei werden sie von Mentoren unseres Partners begleitet.“ Das zweite Lernangebot im Rahmen des for:ward Programms wird als „individueller Lernpfad“ bezeichnet, welcher das ganze Jahr über angeboten wird. Hier können sich die Mitarbeitenden intensiv mit ihrer eigenen rollen- spezifischen Weiterentwicklung aus- einandersetzen und Kompetenzen für den Berufsalltag aufbauen. Auch Personen, die neu im Unternehmen sind und für ihre Aufgabe noch entsprechende zusätzliche Fähigkeiten benötigen, z. B. im Bereich Data Science, werden in diesem Rahmen abgeholt. Das bringe wiederum große Vorteile für die Rekrutierung neuer Mitarbeitender, selbst wenn sie noch nicht alle erforderlichen fachlichen Kompetenzen mitbringen, da bestehende Wissenslücken leichter und zielgerichtet geschlossen werden können.
Hospitation als Karrierewendepunkt
Auch die anderen Unternehmen der Allianz verantworten eigene Projekte, wie das Oldenburger Energieund Telekommunikationsunternehmen EWE, das zu den Mitgliedern der ersten Stunde zählt. „Die Arbeitswelt verändert sich im Großen wie im Kleinen. Unsere Angestellten benötigen in dieser Phase Sicherheit und Perspektiven, um sich dem Wandel zu stellen und sich gegebenenfalls auch beruflich verändern zu können“, so Leiter Recruiting Marc Estorf. Dafür wurde 2021 ein Hospitationsprogramm innerhalb des Konzerns auf die Beine gestellt, mittels dem Mitarbeitende für bis zu vier Wochen auch in völlig fachfremde Bereiche reinschnuppern können, um möglicherweise neue Karrierewege für sich zu entdecken. Mit Erfolg: „Wir haben Mitarbeitende aus teils komplett anderen Fachbereichen neu integrieren können, beispielsweise aus dem Vertriebsbereich in das Personalwesen. Teilweise gibt es da sogar ganz unerwartete Passungen: So haben wir beispielsweise auch eine Mitarbeiterin aus dem Finanzumfeld in unseren Telekommunikationsbereich bringen können“, berichtet Estorf. Doch nicht nur die Mitarbeitenden würden von solchen Programmen profitieren, sondern auch das Unternehmen, wie der Leiter Recruiting stolz anmerkt: „Wir haben zahlreiche, auch fachfremde Mitarbeitende in neue Verantwortungsbereiche entwickeln können. Damit konnten wir Bedarfe und Vakanzen intern besetzen und haben den Mitarbeitenden Wertschätzung und Perspektive entgegengebracht. Bislang wurden die Hospitationen von allen Beteiligten als extrem wertvoll wahrgenommen.“
Mitarbeiterbindung gegen den Fachkräftemangel
Wertschätzung sei ein wichtiges Stichwort, meint auch Lisa Dahms, und erzählt: „Bei einer unserer ersten Evaluationen haben 70 Prozent der Teilnehmenden angegeben, dass sie sich aufgrund des Programmes stärker verbunden mit dem Unternehmen fühlen und noch länger für TUI arbeiten möchten. Investitionen in Weiterentwicklung und Qualifizierung sind Investitionen in die Mitarbeiterbindung. Das ist insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels von Bedeutung. Zudem haben wir durch das Programm einen organisch wachsenden Wissensaustausch im Unternehmen. Insofern ist for:ward für uns wirklich eine absolute Erfolgsgeschichte, die wir gerne noch weiter ausbauen möchten.“ Und auch Estorf zieht für EWE bei der Betrachtung des eigenen Programms in Zeiten oft nur schwer zu besetzender Stellen ein ähnliches Fazit: „Gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels kann der Wert einer solchen Weiterentwicklung der Stammbelegschaften gar nicht hoch genug bemessen werden.“ Welche Tipps würden die Expert*- innen interessierten Unternehmen mit auf den Weg geben, die ähnliche Programme etablieren wollen? „Man sollte rechtzeitig für das entsprechende kulturelle Mindset bei Führungskräften und Belegschaft sorgen, was etwaige Ausfallzeiten oder noch nicht gänzlich ausgeprägte Skills der Mitarbeitenden angeht. Da gilt es, den entsprechenden Umbau der Teamstruktur positiv zu begleiten“, sagt Marc Estorf. Dabei sollte man sich im Vorfeld allerdings nicht zu sehr in der Planung verlieren, meint wiederum Lisa Dahms, die empfiehlt: „Einfach anfangen und ausprobieren. Es ist schöner, eine solide Basis zu haben und das Programm im Sinne der gemachten Erfahrungen entsprechend weiterzuentwickeln, als von vornherein auf den ganz perfekten Wurf zu warten und damit wertvolle Zeit und Chancen für die Entwicklung der eigenen Mitarbeitenden zu verlieren.“
Weitere Informationen finden Sie unter: www.allianz-der-chancen.de