Auf über 1.000 Quadratmetern verbindet der Künstliche Intelligenz Campus Ulm (KICU) Wissenschaft und Wirtschaft. Er gibt Start-ups Raum und ist zugleich eine Plattform der Kooperation und Vernetzung. Ein Modell, das Schule macht.
KI verändert die Spielregeln der Wirtschaft.“
Was können wir tun, um neue Technologien wie KI voranzubringen? Und: Wie schaffen wir, trotz Virtualität und Social Media, einen Ort des realen Austauschs, wo man sich persönlich treffen kann? Das waren einige der Überlegungen, mit denen sich die Stadt Ulm, der Ostalbkreis und die Ulmer IHK vor rund drei Jahren beschäftigten. Nur wenig später reichten die Stadt Ulm und die Projektentwicklungsgesellschaft Ulm (PEG) ihre gemeinsame Bewerbung für Fördermittel beim Land Baden-Württemberg ein — und bekamen den Zuschlag. Das war die Geburtsstunde des KICU, des Künstliche Intelligenz Campus Ulm, einem KI-Exzellenzzentrum für die Region.
Standort mit vielen Vorteilen
Der neue KI-Campus liegt mitten im Science Park, einem rund 50 Hektar großen Areal im Ulmer Nordwesten — Tendenz: wachsend. In dieser „Wissenschaftsstadt“ sind die Universität, die Technische Hochschule, mehrere Institute, das DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Mercedes-Benz Tech Innovation und eine Vielzahl weiterer Unternehmen vertreten. Unter ihnen finden sich neben BMW Car IT, Elektrobit und Continental auch Siemens und Liebherr. Es passiert also viel im Science Park, auch im Bereich KI.
„Unser Ziel ist es, Unternehmen zu unterstützen, insbesondere den Mittelstand“, erklärt Petra Wohlhüter, Leiterin des KICU. Auf rund 1.100 Quadratmetern, verteilt auf drei Etagen, wird KI-Wissen gebündelt. Büros, Co-Working-Spaces und Seminarräume stehen engagierten Unternehmer*innen zur Verfügung. Einzige Auflage, an die auch die Förderung des Landes in Höhe von drei Millionen Euro gekoppelt ist: Was hier passiert, muss mit KI zu tun haben.
Gute Auslastung — engagierte Mieter*innen
Anfang November 2024 öffnete der KI-Campus offiziell seine Tore. Petra Wohlhüter, von Haus aus Betriebswirtin, zeigt sich mit der bisherigen Entwicklung sehr zufrieden: „Rund 80 % der Büroflächen sind bereits vermietet [Stand März 2025]. Seit Kurzem können wir zudem für den Co-Working-Space ein Online-Tool anbieten, mit einem vollautomatischen Zutrittssystem und einem Zugang via Handy-App.“
Sieben Start-ups sind als feste Mieter in das KICU gezogen, unter ihnen YOUniquehorns. Das Start-up bietet neben Softwareentwicklungen und Beratung auch smarte Chatbots auf KI-Basis für „sichere und benutzerfreundliche Interaktionen“ an. Für das kleine Unternehmen ist das KICU gleichzeitig Homebase und Netzwerk-Hub, erklärt Benjamin Steinvorth, Gründer der YOUniquehorns. „Wir arbeiten hier an den digitalen Lösungen von morgen und treffen gleichzeitig auf Menschen, die sich mit ähnlichen Themen beschäftigen. Diese Mischung macht das KICU für uns zur einzigartigen Plattform im KI-Umfeld.“
Quelle: artiso
Vermittler in Sachen KI: Claus Allgaier (artiso)
Wissen erweitern und vermitteln
Steinvorth setzt nicht nur auf Austausch, sondern auch auf Wissenstransfer. „Wir kommen gerne in Schulklassen, in Betriebe, zu Bürgermeistern oder Seniorengruppen und informieren über Anwendungen, Möglichkeiten und Grenzen“, so der IT-Spezialist. Oft seien die daraus entstehenden Frage- und Diskussionsrunden für sein Team dann Ansporn, die eigenen Produkte weiter zu verbessern.
Wer mehr zu KI-Themen erfahren will, kann auch direkt zum KICU kommen. Regelmäßig veranstaltet zum Beispiel der Software-Spezialist artiso auf dem Campus seine INNO TALKS, etwa zum Thema intelligente AI-Agenten, die bei der Automatisierung von einfachen Prozessen und komplexen Workflows helfen. „KI verändert die Spielregeln der Wirtschaft“, erläutert Claus Allgaier, Head of Business Development bei artiso. „Mit dem INNO TALK zeigen wir, wie sich KI in der Praxis konkret und verständlich umsetzen lässt — auch für Nicht-Techniker. Das KICU bietet dafür den idealen Rahmen.“
Ein weiterer Veranstalter, der bereits die Einweihung im November mit Fachvorträgen abrundete, ist das DASU, das „Transferzentrum für Digitalisierung, Analytics & Data Science Ulm“. Die 2021 gegründete Stiftung ist eine Initiative der Stadt Ulm, der IHK und der beiden Hochschulen vor Ort. Das DASU hat sich den Wissenstransfer und die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft in der gesamten Region auf die Fahnen geschrieben.
Link zwischen Hochschulen und Unternehmen
Das KICU sucht auch die Nähe zum Hochschulbetrieb. „Wir haben gute Kontakte zur Universität“, erzählt Petra Wohlhüter. Wenn deren Präsident Prof. Michael Weber von der Fakultät Informatik durch die Räume der Unternehmen im Science Park gehe, treffe er großteils auf ehemalige Studierende. Die Universität nutzt die Räumlichkeiten des KICU auch für ihren Entrepreneur Campus. Dessen Kursangebot richtet sich an Gründungsinteressierte, Studierende ebenso wie Wissenschaftler*innen, und zeigt Wege zur Gründung als Karriereoption. Das Thema Frauenförderung, gerade in den MINT-Fächern, bildet dabei einen Schwerpunkt.
Doch nicht nur Akademiker*innen gehen im KICU ein und aus; das Angebot richtet sich branchenübergreifend an alle Zielgruppen. Handwerksbetriebe etwa sollen im KICU ebenso eine Anlaufstelle finden. Ein Hersteller von Verpackungen zum Beispiel, berichtet Petra Wohlhüter, habe durch die Optimierung seiner Daten Ausfallzeiten reduziert, weil Wartungstermine mithilfe von KI jetzt rechtzeitig erfolgen würden.
Quelle: KICU
Highlight zum Auftakt: der StartupSÜD SUMMIT im Oktober 2024 kurz nach Eröffnung des KICU
Unser Ziel ist es, Unternehmen zu unterstützen, insbesondere den Mittelstand.“
Anreize geben, Ängste abbauen
Wissenstransfer mit viel Praxisbezug – das steht bei artiso ebenfalls auf der Agenda. „Wir wollen mit unseren Veranstaltungsformaten aktuelle Entwicklungen greifbar machen und praxisnah zeigen, wie neue Technologien sinnvoll eingesetzt werden“, erläutert Claus Allgaier von artiso. Dabei verstehe er Weiterbildung nicht nur als Investition in Fachkompetenz, sondern auch als Anstoß, sich aktiv mit digitalen Themen auseinanderzusetzen.
Jedoch: Die Bereitschaft, sich vorbehaltlos auf die neuen Technologien einzulassen, ist noch längst nicht überall gegeben. Im KICU ist man sich dieser Tatsache bewusst. „Ich finde es wichtig, den Menschen erst einmal die Angst vor neuen Technologien zu nehmen“, unterstreicht Petra Wohlhüter. „In der Bevölkerung, aber auch im Mittelstand oder in kleineren Unternehmen herrscht immer noch viel Skepsis. Wir wollen mit niedrigschwelligen Angeboten auch Aufklärungsarbeit leisten: Was ist KI eigentlich? Wo stehen wir technisch? Was ist damit möglich?“. Es sei wichtig, so die Leiterin, sich die Zukunft nicht wie in einem Science-Fiction-Endzeit-Film vorzustellen, sondern den Nutzen der digitalen Technologien zu erkennen, wie sie etwa im Medizinbereich schon sichtbar werden. Sie selbst jedenfalls ist sich heute schon sicher: „KI soll und wird uns das Leben erleichtern.“