Nick Pabst (in der Mitte links, Auszubildender zum Elektroniker für Betriebstechnik) und Bilal Toplu (in der Mitte rechts, Auszubildender zum Mechatroniker) von Haver & Boecker oHG in Oelde im Praktikum bei der indischen Tochtergesellschaft Haver & Boecker India Pvt. Ltd. in Vadodara, Gujarat.
Internationale Berufskompetenzen spielen in der globalisierten Wirtschaft eine wichtige Rolle. Ausgebildete Fachkräfte agieren heute in kulturell diversen Teams, erledigen internationale Arbeitsaufgaben oder sind zeitweise im Ausland eingesetzt. Dafür benötigen sie interkulturelles Fingerspitzengefühl, berufsbezogene Fremdsprachenkenntnisse und länderspezifische Marktkenntnisse, die sie durch Ausbildungsphasen im Ausland erweitern und erwerben können.
Mit Blick auf die digitale und ökologische Transformation erweisen sich Anpassungsfähigkeit am Arbeitsplatz, Veränderungsbereitschaft und Problemlösekompetenz für verschiedene Ausbildungsberufe als entscheidende Zukunftskompetenzen. Angesichts der vielfältigen Herausforderungen und Anforderungen schärfen viele Schulen und Ausbildungsabteilungen ihr europäisches und internationales Profil. Dies kommt in der Berufsbildung auch bei der gestiegenen Nachfrage nach Auslandsaufenthalten zum Ausdruck. Bei den in Deutschland am meisten genutzten Förderprogrammen Erasmus+ und AusbildungWeltweit wuchs die Zahl der bewilligten Auslandsaufenthalte von Auszubildenden von 2019 bis 2024 — trotz des zwischenzeitlichen Pandemieknicks — um jeweils 37 % auf insgesamt mehr als 37.000 bewilligte Stipendien.
Seit 2017 unterstützt das Bundesbildungsministerium Auszubildende mit dem globalen Mobilitätsprogramm AusbildungWeltweit. Es ergänzt das große europäische Bildungsprogramm Erasmus+ bedarfsgerecht um ein flexibles nationales Förderangebot für den praxisorientierten Kompetenzerwerb im Ausland.
Seit 2017 unterstützt das Bundesbildungsministerium Auszubildende mit dem globalen Mobilitätsprogramm AusbildungWeltweit.“
Mobilitätsförderung als Gamechanger für die Internationalisierung der Ausbildung
Förderprogramme schaffen die strukturellen und finanziellen Voraussetzungen für Lernerfahrungen von Auszubildenden im Ausland sowie entsprechend für die Internationalisierung von Ausbildungseinrichtungen. Durch die finanzielle Unterstützung kann ein größerer Kreis von Auszubildenden regelmäßig am „Lernort Ausland“ die eigenen Bildungschancen erweitern. Dabei setzen Erasmus+, AusbildungWeltweit und weitere Förderprogramme Qualitätsmaßstäbe und eine Förderzusage kann als Qualitätssiegel gelesen werden.
Viele Ausbildungseinrichtungen nutzen geförderte Auslandsaufenthalte als Instrument der Personalentwicklung. Im Rahmen von AusbildungWeltweit melden Projektträger regelmäßig zurück, dass sich die in der Regel 6 bis 8 Wochen dauernden Entsendungen sehr positiv auf die Entwicklung personaler Kompetenzen der Auszubildenden auswirkten. Das Förderangebot sei auch deshalb ein „Gamechanger“, weil es eine kontinuierliche Verankerung der Auslandsaufenthalte in der Ausbildung sowie eine reflektierte inhaltliche und pädagogische Ausgestaltung befördere. Die Beantragung der Fördermittel ist auch von einer kleinen Ausbildungsabteilung oder einzelnen Ausbildungsverantwortlichen gut zu handhaben. Da bei AusbildungWeltweit zwei Drittel der Anträge von Unternehmen kommen, ist die Mehrzahl der Projekte an den spezifischen Qualifikationsanforderungen der Betriebe ausgerichtet. Im Rahmen von AusbildungWeltweit konnten bis dato rund 4.000 Auslandsaufenthalte in über 60 Ländern auf allen Kontinenten bewilligt werden. Gefragte Destinationen sind insbesondere Länder, mit denen vielfältige Wirtschaftskooperationen und Schulpartnerschaften bestehen (vorneweg: USA, China, Vereinigtes Königreich, Kanada, Schweiz, Südafrika, Australien, Mexiko, Tansania, Indien).
Lernaufenthalte zahlen nicht zuletzt auch auf das Ziel einer Bildung für nachhaltige Entwicklung ein, wenn Auszubildende einen vertieften Einblick in Abhängigkeiten von Lieferketten und Produktion erhalten.“
Vom Wissenstransfer und den Innovationsimpulsen, die sich aus der internationalen Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Berufsbildungssystemen ergeben, profitieren Ausbildungsabteilungen und berufliche Schulen nicht zuletzt auf institutioneller Ebene, insbesondere wenn sie ihre Organisationsentwicklung mit Internationalisierungszielen verknüpfen. So werden Auslandsaufenthalte nicht selten im Schulprogramm verankert, um die berufsbezogene und persönliche Horizonterweiterung systematisch zu ermöglichen. Lernaufenthalte zahlen nicht zuletzt auch auf das Ziel einer Bildung für nachhaltige Entwicklung ein, wenn Auszubildende einen vertieften Einblick in Abhängigkeiten von Lieferketten und Produktion erhalten.
(Quelle: Max Escherhaus)
Max Escherhaus, Auszubildender zum Zimmerer bei Sextro Holzbau GmbH, Dinklage/Niedersachsen, bildet sich im kanadischen Canmore/Alberta fort.
Nutzen und Wirkungen von Auslandsaufenthalten in der Praxis
Ausbildungsbetriebe entwickeln im Rahmen ihrer Mobilitätsprojekte eine Vielzahl von Tools, um die Auslandsaufenthalte noch wirksamer zu machen. Hierzu zählen interkulturelle Trainings, maßgeschneiderte Lernzielvereinbarungen, Reflexionsmeetings und digitale Ausbildungsplattformen. Auslandsaufenthalte werden beispielsweise genutzt, um angehende Kaufleute für Groß- und Außenhandel mit Produktionsabläufen und der Produktpalette an einem chinesischen Standort bekannt zu machen und schließlich auf die Geschäftsabwicklung mit chinesischen Partnern vorzubereiten. Der Einblick in andere Lebensrealitäten und Herangehensweisen kann die Wertschätzung für Andersartigkeit und die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel verbessern. Dies stärkt wiederum die Willkommenskultur im heimischen Team auch in Hinblick auf die Integration zugewanderter Fachkräfte. Auslandsaufenthalte haben zudem das Potenzial, die unternehmensinterne Wissensbasis und die Kommunikationskultur innerhalb einer Konzernfamilie zu verbessern.
Im Rahmen von AusbildungWeltweit konnten bis dato rund 4.000 Auslandsaufenthalte in über 60 Ländern auf allen Kontinenten bewilligt werden.“
Eine professionelle Verstetigung internationaler Ausbildungsaktivitäten erfordert großes Engagement der Ausbildungsverantwortlichen und Lehrkräfte. Für ihre Tätigkeit sind sie auf Know-how und institutionellen Rückhalt angewiesen. Dabei profitieren Ausbildungsverantwortliche von eigenen Auslandsaufenthalten beispielsweise im Rahmen von Job Shadowings bei ausländischen Partnern. Diese Erfahrungen wirken sich positiv auf das internationale Projektmanagement und die Weiterentwicklung der eigenen Ausbildungstätigkeit in Deutschland aus. Auch dieses Format kann von Erasmus+ und AusbildungWeltweit unterstützt werden.
Last but not least kann das Angebot von Auslandsaufenthalten als Alleinstellungsmerkmal dem Employer Branding dienen. Im Ausbildungsmarketing werden Auslandsaufenthalte erfolgreich als Attraktivitätsfaktor eingesetzt. Personaler*innen berichten, dass sie auf Ausbildungsmessen von Interessierten gezielt auf Auslandsaufenthalte angesprochen werden. Aus diesem Grund stellt das Förderprogramm AusbildungWeltweit für die Azubi-Werbung ein eigenes Label zur Verfügung.
Viele Ausbildungseinrichtungen nutzen geförderte Auslandsaufenthalte als Instrument der Personalentwicklung.“
Auf nationaler und europäischer Ebene besteht Konsens darüber, dass internationale Lernmobilität in der Berufsbildung positive Wirkungen auf individueller, institutioneller, systemischer und gesellschaftlicher Ebene entfaltet. Mit der Ratsempfehlung „Europa in Bewegung — Lernmobilität für alle“ forderte die Europäische Union im Mai 2024 die Mitgliedsstaaten dazu auf, mobilitätsfreundliche Voraussetzungen auf Systemebene zu schaffen, Informations- und Unterstützungsangebote besser zu koordinieren und Schritte zur Anerkennung der im Ausland erworbenen Kompetenzen zu unternehmen. Außerdem soll in der beruflichen Bildung der Anteil der Lernenden, die ein Auslandspraktikum absolviert haben, auf mindestens 12 % bis 2030 steigen. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es Beiträge aller beteiligten Akteure. Neben den Ausbildungspraktikern gehören dazu die Sozialpartner und die verantwortlichen Stellen auf Landes- und Bundesebene. Wichtige Maßnahmen sind hier die Absicherung der Förderprogramme sowie die Weiterentwicklung bestehender Unterstützungsstrukturen, wie sie zum Beispiel bei der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung sowie bei Kammern und Schulbehörden existieren (s. a. Interview mit Theresa Mayerhöffer, Leiterin Beratungsservice in der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung, ab Seite 8) Eine zielgruppengerechte Informationsarbeit, Schulungs- und Vernetzungsarbeit und weitere Fachangebote ebnen einer zunehmenden Zahl von Auszubildenden und Ausbildungsverantwortlichen den Weg zu qualitätsgesicherten Lernerfahrungen im Ausland.
Stefan Metzdorf
Stefan Metzdorf leitet in der Nationalen Agentur beim Bundesinstitut für Berufsbildung (NA beim BIBB) den Bereich „Stärkung der Auslandsmobilität I AusbildungWeltweit“