1 + 2 Als Autor und Vortragsredner schreibt und spricht Ingwar Perowanowitsch regelmäßig über die Klimakrise, die Verkehrswende und fahrradgerechte Städte.
Dienstreisen lassen sich nicht immer digital ersetzen, sollten aber so nachhaltig wie möglich erfolgen. Das zumindest ist das Ansinnen der EU, die hierfür eine neue Richtlinie erlassen hat. Mit bestimmten Anreizen ließe sich umweltfreundliches Reisen noch weiter steigern, meint Ingwar Perowanowitsch, der sich mit seinem Fahrrad auf eine abenteuerliche Reise begeben hat.
Eine hohe Auftragswahrscheinlichkeit, der Auf- und Ausbau eines eigenen Netzwerks, das persönliche Kennenlernen von Geschäftspartner*innen – die Gründe für Dienstreisen sind vielfältig. Virtuelle Meetings – das wissen wir spätestens seit der Corona-Pandemie – können viel leisten, jedoch nicht den persönlichen Kontakt ersetzen. Wer somit dienstlich unterwegs ist, kehrt im Idealfall mit einem lukrativen Auftrag zurück, allerdings auch mit einem (möglicherweise größeren) ökologischen Fußabdruck. Eine neue EU-Richtlinie soll künftig für mehr Transparenz bei Dienstreisen sorgen.
Unternehmen in der Pflicht
Die sogenannte „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) verpflichtet Unternehmen seit dem 1. Januar 2025, ihre Emissionen aus Geschäftsreisen und anderer beruflicher Mobilität für das vergangene Geschäftsjahr offenzulegen. Dies beginnt mit einem definierten Ziel, bis wann das Unternehmen Klimaneutralität erreichen möchte, es folgt die Erhebung der Emissionsdaten, und schließlich wird der Nachhaltigkeitsbericht erstellt. Entsprechende Software kann bei diesem Prozess, der am Ende von einem externen Dienstleister geprüft werden muss, helfen. Kleinstunternehmen sind von der CSRD ausgenommen.
Mehr Digitalisierung durch nachhaltigere Geschäftsreisen?
Laut der Studie „Chefsache Business Travel 2024“, die im Auftrag des Deutschen Reiseverbandes (DRV) jährlich mehr als 200 Führungs- und Fachkräfte aus Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden zum Thema Geschäftsreisen befragt, waren im vergangenen Jahr lediglich 12 % der Firmen auf die neue EU-Richtlinie vorbereitet. Konkrete Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit auf Dienstreisen würden die befragten Unternehmen hingegen schon ergreifen. Demnach ermutige jedes zweite Unternehmen seine Mitarbeitenden zur Nutzung alternativer Meetingmethoden wie Videokonferenzen, 43 % schrieben die Nutzung des nachhaltigsten Verkehrsmittels für eine Dienstreise vor. Mehr als ein Drittel der Firmen böte CO2-Kompensationsprogramme an, bei denen die bei Reisen verursachten Emissionen durch Investitionen in Klimaschutzprojekte ausgeglichen würden, heißt es in der Studie. Durch die Zusammenarbeit mit seriösen Anbietern könne sichergestellt werden, dass die Kompensationsmaßnahmen tatsächlich wirksam seien. Sieben von zehn Befragten erwarteten, dass durch nachhaltigere Geschäftsreisen die Digitalisierung und Automatisierung der Reiseplanung an Bedeutung gewönne, etwa wenn die umweltfreundlichste Alternative hervorgehoben würde. Gleiches gelte für die Effizienzsteigerung bei Dienstreisen, zum Beispiel durch Bündelung von Terminen in einer Region.
Mehr Anreize schaffen
Anreize für nachhaltige Geschäftsreisen gibt es viele. Ingwar Perowanowitsch, Politikwissenschaftler, freier Journalist und leidenschaftlicher Radreisender, hat eine ganze Reihe von Ideen: „Budget für das Bordbistro, Mobilitätsprämien, Bonuspunkte fürs Bahnfahren, Deutschlandticket, steuerliche Vorteile, Carsharing-Pools oder Ladestationen für E-Autos oder E-Bikes.“ Der Freiburger weiß, wovon er spricht: Als Autor und Vortragsredner schreibt und spricht er regelmäßig über die Klimakrise, die Verkehrswende und fahrradgerechte Städte. Größere Bekanntheit erlangte Perowanowitsch durch seine Reise von Freiburg nach Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans – mit dem Fahrrad! In 110 Tagen legte er 5.000 Kilometer zurück, um am Ende die 29. UN-Weltklimakonferenz zu erreichen.
Abschaffung von Inlandsflügen
„Das Fahrrad ist ein so tolles und unterschätztes Verkehrsmittel und im Grunde die Lösung zur Bekämpfung einer Vielzahl unserer ökologischen Probleme“, berichtet er. „Welche Technologie kann das schon von sich behaupten?“
Trotz seiner Begeisterung für das Radfahren und einer offenbar guten Kondition weiß der Freiburger auch die öffentlichen Verkehrsmittel zu schätzen. So habe er für Fernreisen den Nachtzug für sich entdeckt – eine für ihn passende und interessante Alternative. Zum Thema Inlandsflüge hat er eine klare Haltung: „Arbeitgeber sollten Dienstreisen mit dem Flugzeug innerhalb Deutschlands komplett abschaffen und Arbeitnehmern eher eine BahnCard 50 oder 100 zur Verfügung stellen, anstatt einen Dienstwagen“, so Perowanowitsch.
Klimaschädliche Dienstreisen ausschließen
Zugreisen sind, verglichen mit einer Autofahrt, zwar komfortabler, können mitunter aber unzuverlässig sein. Laut Angaben der Deutschen Bahn waren im Jahr 2024 insgesamt 62,5 % aller ICE- und IC-Züge pünktlich, oder anders: 37,5 % jener Züge waren unpünktlich. In dieser Hinsicht empfiehlt Ingwar Perowanowitsch Arbeitgebern, darüber nachzudenken, „klimaschädliche Dienstreisen für ihre Mitarbeiter von vornherein auszuschließen.“
Eine Konsequenz, die wohl nicht überall auf Gegenliebe stoßen wird. Denn knapp über die Hälfte aller Befragten, so Chefsache Business Travel, hielten eine Geschäftsreise für eine angenehme Abwechslung zum herkömmlichen Büroalltag. Viele von ihnen, nämlich 70 %, nutzten Geschäftsreisebüros für die Organisation und Buchung. Einige dieser Büros bieten einen Emissionsbericht sowie die Möglichkeit, die entstehenden CO₂-Emissionen automatisch zu kompensieren. Wie viele Dienstreisen mit dem Fahrrad vermittelt und angetreten werden, bleibt derweil offen.
Arbeitgeber sollten Dienstreisen mit dem Flugzeug innerhalb Deutschlands komplett abschaffen und Arbeitnehmern eher eine BahnCard 50 oder 100 zur Verfügung stellen, anstatt einen Dienstwagen“
Das Fahrrad ist ein so tolles und unterschätztes Verkehrsmittel und im Grunde die Lösung zur Bekämpfung einer Vielzahl unserer ökologischen Probleme.“