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Wie KMU das Potenzial des Work-based Learning weltweit entfalten

Kleine Betriebe, große Chancen

Zusammen mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) erarbeitete das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) — eine Gesellschaft des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft — entsprechende Empfehlungen. Die Studie „Unlocking apprenticeship potential in small and medium enterprises“ zeigt Wege auf, wie KMU stärker in die Berufsausbildung eingebunden werden können.

KMU als Rückgrat der Ausbildung

In Ländern mit dualem Ausbildungssystem, in dem die Lehrlingsausbildung in Betrieben und beruflichen Schulen erfolgt, wie es beispielsweise in Deutschland, Österreich oder der Schweiz der Fall ist, bieten KMU bis zu 70 % aller Ausbildungsplätze an. Allerdings ist insbesondere in Deutschland eine rückläufige Tendenz zu beobachten. Die Lehrlingsausbildung (engl. „Apprenticeships”) und andere Formen des „Work-based Learning” sind jedoch wichtige Bausteine für einen erfolgreichen Übergang junger Menschen von der Schule in den Beruf. Work-based Learning umfasst alle Formen des Lernens, die in einer realen Arbeitsumgebung stattfinden — von der klassischen dualen Berufsausbildung über Praktika bis hin zu informellen Lernprozessen am Arbeitsplatz. Apprenticeships als wichtigste Form des Work-based Learning spielen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit durch entsprechende Verträge zwischen Ausbildungsbetrieb und Auszubildenden („earning while learning“). Dennoch ziehen sich vermehrt KMU aus der Ausbildung zurück, was die Fachkräftesicherung gefährdet. Der Grund: Weltweit stehen KMU vor ähnlichen Hindernissen bei der Umsetzung entsprechender Ansätze.

Von Hindernissen zu Lösungen: Work-based Learning weltweit stärken

Hindernis: Informationsdefizite

Viele KMU wissen nicht, welche Work-based-Learning-Ansätze wirken oder wie diese in die betrieblichen Abläufe implementiert werden können. Hier sind zielgruppengerechte Informationskampagnen und digitale Informationsplattformen gefragt. Peer-to-Peer-Netzwerke zwischen Betrieben sowie die Beratung durch Kammern und Verbände können zusätzlich dabei helfen, Informationslücken zu schließen.

Work-based Learning erfordert von KMU Inves­titionen in Personal und Infrastruktur.

(Quelle: KL 1981 — stock.adobe.com)

Work-based Learning erfordert von KMU Inves­titionen in Personal und Infrastruktur.

Hindernis: Unzureichende finanzielle Anreize

Ohne adäquate Unterstützung scheuen KMU die Investition in Work-based Learning. Notwendig sind direkte Zuschüsse für ausbildende Betriebe sowie steuerliche Anreize.

Hindernis: Unklare regulatorische Rahmenbedingungen

Um das Ausbildungsengagement zu erhöhen, sind klare gesetzliche Regelungen und Qualitätsstandards erforderlich. Transparente Zertifizierungsverfahren und Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen das notwendige Vertrauen in Work-based-Learning-Programme.

Hindernis: Fehlende Netzwerke und Vermittlungsstrukturen

Ohne professionelle Vermittlung finden Betriebe und Lernende oft nicht zusammen. Lösungen sind der Aufbau regionaler Matching-Plattformen und die Stärkung der Berufsberatung sowie der Berufsorientierung. Eine bessere Kooperation zwischen Schulen und Betrieben sowie Mentoring-Programme für neue Ausbildungsbetriebe verbessern die Vermittlungsstrukturen.

Work-based Learning umfasst alle Formen des Lernens, die in einer realen Arbeitsumgebung stattfinden — von der klassischen dualen Berufsausbildung über Praktika bis hin zu informellen Lernprozessen am Arbeitsplatz.“

Work-based Learning und seine Vorteile für KMU

Work-based Learning erfordert zunächst Investitionen in Personal, Infrastruktur und Organisation. Dem stehen mehrere Vorteile gegenüber: die produktive Mitarbeit der Lernenden, eine langfristige Fachkräftesicherung, geringere Rekrutierungskosten und reduzierte Einarbeitungszeiten. Für viele KMU stellt jedoch der kurzfristige finanzielle Aufwand eine Einstiegshürde dar, die durch gezielte Förderprogramme und Anreizsysteme abgebaut werden kann. Erfolgreiche Beispiele zeigen, dass sich Work-based Learning auch für kleinere Betriebe rechnet. In Ländern wie der Schweiz oder Deutschland erwirtschaften Ausbildungsbetriebe im Durchschnitt bereits während der Ausbildung einen Nettonutzen. Studien belegen, dass die Produktivität von Auszubildenden im Verlauf der Ausbildung erheblich steigt und die Kosten oft schon vor dem Ausbildungsabschluss kompensiert werden (vgl. Wenzelmann et al.: Eigene Ausbildung oder externe Fachkräftegewinnung — mit welchen Kosten müssen Betriebe rechnen? Ergebnisse der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung 2022/2023. Bonn, 2025).

Die Studie macht deutlich: Work-​based Learning muss sich für KMU lohnen.

(Quelle: Yuri Arcurs/peopleimages.com — stock.adobe.com)

Die Studie macht deutlich: Work-​based Learning muss sich für KMU lohnen.

So können KMU weltweit unterstützt und für das Konzept des Work-based Learning gewonnen werden

Makroebene: In diesem Bereich geht es darum, förderliche gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehören Berufsbildungsgesetze, die Flexibilität und Qualität gleichermaßen gewährleisten sowie steuerpolitische Anreize für ausbildende Betriebe. Darüber hinaus sollten institutionelle Strukturen gestärkt werden: einerseits durch eine verbesserte Sozialpartnerschaft und andererseits durch die systematische Einbindung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen.

Mesoebene: Hier liegt der Fokus auf dem Aufbau regionaler und branchenspezifischer Strukturen wie zum Beispiel Ausbildungsverbünden, in denen sich mehrere KMU zur gemeinsamen Ausbildung zusammenschließen. Hilfreich sind außerdem Branchennetzwerke, die den Erfahrungsaustausch und die Entwicklung gemeinsamer Standards innerhalb verschiedener Branchen ermöglichen. Auf der regionalen Ebene gilt es, Mechanismen für die Zusammenarbeit von Bildungsanbietern, Betrieben und öffentlichen Stellen zu etablieren.

Mikroebene: Auf der Mikroebene ist es förderlich, wenn externe Dienstleister*innen die ausbildenden Betriebe professionell begleiten und sie bei administrativen Aufgaben unterstützen. Zudem sollten finanzielle Anreize in Form von Zuschüssen oder Prämien für ausbildende Betriebe geschaffen werden.

Viele KMU wissen nicht, welche Work-based-Learning-Ansätze wirken oder wie diese in die betrieblichen Abläufe implementiert werden können.“

Work-based Learning als strategische Investition

Die Studie macht deutlich: Work-​based Learning muss sich für KMU lohnen — wirtschaftlich, strategisch und kulturell. Politische Interventionen sollten systematisch auf drei Ebenen koordiniert erfolgen: von der gesetz­lichen Rahmengebung (Makroebene) über regionale Netzwerke (Mesoebene) bis hin zur betriebsindividuellen Unterstützung (Mikroebene). Dabei ist eine langfristige Perspektive entscheidend, die kontinuierliche Unterstützung und stabile Rahmenbedingungen erfordert.

Work-based Learning weltweit: Projekte des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft

Die Empfehlungen der ILO-Studie finden unter anderem in internationalen Projekten des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft praktische Anwendung. Die folgenden Projektsteckbriefe zeigen beispielhaft, wie arbeitsplatznahe und praxisorientierte Formen der beruflichen Ausbildung erfolgreich gefördert und KMU systematisch eingebunden werden können. Diese Initiativen demonstrieren, wie der Ansatz einer dualen Berufsausbildung mit Work-based Learning auch in Ländern ohne entsprechende Aus­bildungstradition initiiert und gestärkt werden kann. Durch die Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Akteuren entstehen nachhaltige Strukturen, die den Übergang von der Schule in den Beruf verbessern und gleichzeitig den Fachkräftebedarf der Wirtschaft decken.

Ohne adäquate Unterstützung scheuen KMU die Investition in Work-­based Learning.“

Tunesien: Vom Praktikum zur dualen Partnerschaft

Die Berufsausbildung in Tunesien hatte eine Schwachstelle: Nach kurzen Praktika fanden Absolvent*innen oftmals keine dauerhafte Beschäftigung. Die Berufsbildungspartnerschaft reformierte fünf Berufsbildungszentren in Sousse und Siliana nach deutschem Vorbild. Zu den zentralen Reformen gehörten die Erhöhung des Praxisanteils auf 50 %, zweimonatige betriebliche Ausbildungsblöcke und die direkte Auswahl der Auszubildenden durch Unternehmen. Lehrkräfte und Ausbilder*innen erhielten Schulungen in handlungsorientierter Methodik. Arbeitsgruppen passten Curricula an Wirtschaftsbedarfe an. Das Ergebnis: eine deutlich stärkere Arbeitsmarktorientierung der Ausbildung und verbesserte Beschäftigungschancen. Die Kooperation zwischen Bildungseinrichtungen und Privatwirtschaft wurde nachhaltig gestärkt.

In Ländern mit dualem Ausbildungssystem bieten KMU bis zu 70 % aller Ausbildungsplätze an.

(Quelle: CoetzeeRising/peopleimages.com — stock.adobe.com)

In Ländern mit dualem Ausbildungssystem bieten KMU bis zu 70 % aller Ausbildungsplätze an.

Südafrika: Duale Mechatronik-Ausbildung etabliert

Südafrikas theorielastige Aus­bildung führte zu hohen Einarbeitungskosten und erschwerte Jugendlichen den Arbeitsmarkteinstieg. In Gauteng wurde eine duale Mechatronik-Ausbildung nach deutschem Standard eingeführt. 16 Pilotteilnehmer*innen starteten 2020 eine Ausbildung mit zwei Lernorten und handlungsorientierten Methoden. Lokale Berufs­schullehrer*innen erhielten technische und pädagogische Qualifizierung. Neue Kooperationsstrukturen mit der Privat­wirtschaft entstanden, ergänzt durch Fachschulungen in Deutschland. Ergebnis: Zuordnung im nationalen Qualifizierungsrahmen und reduzierte Einarbeitungszeiten in Unter­nehmen. Ein Modell zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit wurde etabliert.

iLEAP-Coaching (iLEAP — Integrative Learning Processes in Work-based Learning): Ausbildungsabbrüche in Europa reduzieren

Die Corona-Pandemie verstärkte Bildungsungleich­heiten und erhöhte das Risiko von Ausbildungsabbrüchen bei lernschwächeren Jugendlichen. Das iLEAP-Projekt entwickelte einen systematischen Ansatz zur Unterstützung dieser Zielgruppe. Lehrkräfte wurden zu iLEAP-­Coaches qualifiziert und in vier Modulen geschult: Lernprozessbegleitung, Kommunikation und Konfliktmanagement, digitales Unterrichten sowie Kompetenzfeststellung. Durch partizipative Bedarfsanalysen wurden die Lernhemmnisse direkt von Betroffenen ermittelt und in die Modulentwicklung integriert. Ergebnis: Lehrkräfte verfügen über erweiterte Sozial- und Methodenkompetenzen zur gezielten Unterstützung bildungsbenachteiligter Auszubildender. Ausbildungsabbrüche konnten reduziert und die Motivation zu lebenslangem Lernen gesteigert werden.

Heiko Weber
Forschungs­institut Betriebliche Bildung (f-bb gGmbH)

Heiko Weber

Weitere Informationen finden Sie unter:

Kontakt f-bb zum Thema Berufs­bildung & internationale Projekte: Heiko Weber, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) gGmbH
E-Mail: heiko.weber@f-bb.de
www.f-bb.de

Weitere Informationen zum Thema internationale Projekte: Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw) gGmbH (internationaler Bereich)
www.bbw-international.com

Die Studie „Unlocking apprenticeship potential in small and medium enterprises“ ist auf der Seite der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) abrufbar:
www.ilo.org/sites/default/files/wcmsp5/groups/public/@ed_emp/­@ifp_skills/documents/publication/wcms_872246.pdf

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