Zu Deiner Klientel gehören in der Regel Spitzensportler* innen. So hast du in den letzten Jahren z. B. die Eishockeynationalmannschaft in der Vorbereitung auf Weltmeisterschaften und Olympische Spiele begleitet. Wie unterscheidet sich die Arbeit mit Sportler*innen zu der mit dem Team Germany von WorldSkills?
Von den Grundaspekten, an denen wir arbeiten, darunter Leistung aufbauen und abrufen, ist das kein Unterschied, hier greifen wir auf die gleichen Methoden und Übungen zurück. Allerdings ist die Ausgangslage eine komplett andere: Die Teilnehmer*innen beruflicher Wettbewerbe haben i. d. R. im Vorfeld zwar bereits an nationalen Ausscheidungswettbewerben teilgenommen, haben eine Wettbewerbssituation als solche also schon erlebt – allerdings in ganz anderen Dimen- sionen, als sie später auf internationalem Parkett erwartet; und ein gezieltes mentales Coaching wie unseres lernen sie meist erst nach den Deutschen Meisterschaften kennen. Im Gegensatz zu Spitzensportler* innen ist deren Wettbewerbserfahrung also sehr gering, was bedeutet, dass die Fachkräfte nicht wissen, wie sie reagieren, was auf sie zukommt und wie sie mit stressigen Situationen umgehen. Dafür muss erst einmal das Verständnis geschaffen werden: Selbstverständlich beherrschen alle ihr Handwerk im Sinne ihrer beruflichen Tätigkeit, sonst wären sie bei internationalen Berufswettbewerben ja nicht dabei. Allerdings blenden die meisten aus, welche entscheidende Rolle die jeweiligen Emotionen spielen.
Was zeichnet deine Arbeit als Mentaltrainer aus?
Bei uns geht es am Anfang meist darum, sich im Trainingsprozess zu strukturieren, die Selbstmotivation aufzubauen und die Willensstärke zu trainieren. Die Vorbereitung auf die beruflichen Wettkämpfe ist anstrengend, die Fachkräfte müssen hierfür viel trainieren. Das ist ungewohnt, sie rutschen da in etwas rein, das sie nicht ganz erfassen können. Leistungssportler*innen sind Trainingseinheiten von Kind auf gewohnt. Das haben die Teilnehmer*innen weniger: Man lernt seinen Beruf ja und trainiert ihn weniger. Es geht bei unserer Arbeit in hohem Maße um Emotionssteuerung, wie gehe ich mit Druck und Nervosität um, wie baue ich Selbstvertrauen auf, wie schaffe ich es, von Anfang an da und im Wettbewerb drin zu sein, wie gehe ich mit Misserfolgen um, kann ich das abschütteln, kann ich motiviert bleiben und mich weiter fokussieren. Im Wettbewerb passiert es immer wieder, dass Teilnehmer*innen bestimmte Aufgaben nicht schaffen, am nächsten Tag müssen sie aber dennoch motiviert sein. Oder es geht etwas schief, wie bei Alexander, dem Bäcker, bei dem die Kühlung ausgefallen war. Hier nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern das Beste daraus zu machen, seine Ziele weiterzuverfolgen – darauf kommt es an. Wir wollen die jungen Leute überzeugen und begeistern. Sie haben nicht die Möglichkeit, das beim nächsten Mal besser zu machen. Sie haben nur die eine Chance. Das ist Arbeit auf der individuellen Ebene, aber auch auf Teamebene, bei Bundestrainer*innen und Teilnehmenden gleichermaßen – denn auch wenn es Individualkämpfer*innen sind, gibt ein guter Teamspirit noch mal richtig Kraft für den Wettbewerb. Für den Erfolg ist es entscheidend, unsere Methoden anzunehmen, dafür offen zu sein.
Hast du den Eindruck, dass eure Methoden von den Teilnehmenden, aber auch den Bundestrainer*innen, innerhalb der doch recht kurzen Vorbereitungszeit verinnerlicht werden können?
Gerade bei den letzten EuroSkills haben wir direktes Feedback bekommen. Ein Teilnehmer hatte in seiner Toolbox unser Arbeitsblatt mit eigenen Anmerkungen eingeklebt, um da immer mal wieder reinzuschauen. Bei einem anderen Teilnehmer sagte mir der Bundestrainer später: „Tom, du warst Gold wert.“ Und das buchstäblich – seinen „Schützling“ konnten wir in einer sehr stressigen Situation unterstützen und fokussieren. So ein Feedback freut uns immer sehr. Selbstverständlich können alle Teilnehmenden ihren Beruf gut, aber im Wettbewerb haben sie mit uns einen klaren Vorteil, weil sie ihre Leistung besser abrufen können. Wir haben auch das Feedback früherer Teilnehmer*innen, dass sie durch ihre Teilnahme an beruflichen Wettbewerben sehr stark gereift sind. Die Erfahrung, sich auf der großen Bühne zu messen, mit Misserfolgen umzugehen und daran zu wachsen – dabei lernen sie schon sehr viel, das stärkt das Selbstvertrauen. Diese Lernerfahrung nutzt ihnen generell, nicht nur in Wettbewerbsumgebungen.
Ihr arbeitet gerade daran, euer Mentaltraining generell Auszubildenden und Ausbildenden zugänglich zu machen. Was hat es damit auf sich?
Wir sind im Moment dabei ein Workbook mit Übungen und Techniken fertigzustellen. Ziel ist es zunächst, dass sich Teilnehmer*innen beruflicher Wettkämpfe selbstständig damit auseinandersetzen können, mentale Fähigkeiten aufzubauen. Hierbei sind unsere Ideen und Methoden in Form von Arbeitsblättern niedergeschrieben. Unsere Vision ist es, dieses Werk auch in die Berufsschulen zu bringen, sodass nicht nur die WorldSkills- und EuroSkills-Teilnehmenden von den positiven Aspekten mentaler Stärke profitieren, sondern das Thema endlich auch in die Berufsschulen kommt und Auszubildenden, aber vor allem auch Ausbildenden bewusst wird, dass das eine wichtige Komponente für beruflichen Erfolg und Zufriedenheit ist.

Dr. Tom Kossak
Diplom-Psychologe,
Sportpsychologie München
Dr. Tom Kossak ist Diplom-Psychologe und promovierte im Bereich der Neuroendokrinologie und Stressforschung. Er ist Sportpsychologe, systemischer Therapeut und arbeitet mit klinischer Hypnose. Tom Kossak begleitet als leitender Sportpsychologe u. a. Spitzensportler*innen des Olympiastützpunkts Bayern, des Deutschen Eishockey-Bunds, von Snowboard Germany sowie der Ski Alpin Nationalmannschaft des Deutschen Skiverbandes.