Ende 2022 organisierte GOVET eine Delegationsreise aus mehreren afrikanischen Ländern zum Thema Wasserwirtschaft.
Innovationen fördern, bewährte Praktiken übernehmen und die Berufsbildung gemeinsam global nachhaltiger und inklusiver gestalten — wie das gehen kann, zeigte das GOVET-Fachseminar „Lernen von anderen“ Ende Juni. Veranstaltet hat das Seminar die Zentralstelle für internationale Berufsbildungskooperation (GOVET), deren erfolgreiche Geschichte bis 2013 zurückreicht.
Die Nachfrage nach deutscher Beratung und partnerschaftlicher Unterstützung bei Berufsbildungsreformen ist unvermindert groß. Die deutsche Berufsausbildung genießt vor allem in ihrer dualen Form international einen sehr guten Ruf. Diesen hatte sie sich vor allem nach der Finanzkrise 2008 erworben, erzählt Peter Rechmann, Leiter der Geschäftsstelle Runder Tisch und stellvertretender Leiter von GOVET — kurz für „German Office for International Cooperation in Vocational Education and Training“.
„Deutschland war aus Sicht des Auslands besonders gut durch die Finanzkrise gekommen“, erklärt der Volkswirt. Insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit sei nicht so hoch gewesen, was zum Teil auf das praxisorientierte Berufsbildungssystem zurückgeführt wurde.
(Quelle: BIBB-GOVET)
Das Team GOVET im BIBB, links im Bild Leiter Peter Rechmann.
Runder Tisch gegen doppelte Arbeit
In der Folge kamen zahlreiche Anfragen, Berufsbildungsprojekte, Memoranden und Besuche von Delegationen. Das deutsche duale System galt vielerorts als Referenzmodell. Und schon bald wurde klar: Bei der Vielzahl der Anfragen war auf deutscher Seite eine gute Abstimmung nötig, um mit einer Stimme zu sprechen — und um doppelte oder gar dreifache Arbeit zu vermeiden.
So entstand der „Runde Tisch für internationale Bildungszusammenarbeit“, sozusagen für die Zusammenarbeit aus einer Hand. Die Akteure des Runden Tisches sind neben den in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit tätigen Bundesministerien und ihren Durchführungsorganisationen, wie der GIZ und dem Goethe Institut, auch die Bundesländer sowie die Sozialpartner. Engagierte Verbände und Vereinigungen wirken ebenfalls mit, darunter WorldSkills Germany und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft. Bei den Bundesministerien handelt es sich vor allem um die Ministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Bildung, Wirtschaft und Arbeit, ebenso das Auswärtige Amt. Auch Landwirtschafts-, Gesundheits-, Innen- und Umweltministerium sind beteiligt.
Deutschland war aus Sicht des Auslands besonders gut durch die Finanzkrise gekommen.“
„Es gibt Treffen auf ministerieller Ebene, wo eher politische Themen abgestimmt werden“, erläutert Peter Rechmann. „Und es gibt Treffen, an denen alle Akteure beteiligt sind und sich fachlich abstimmen. Zur inhaltlichen Vertiefung bieten wir zusätzlich Fachseminare an.“ Ein solcher Termin fand am 23. Juni 2025 statt, als sich im Rahmen einer virtuellen Fachveranstaltung mehr als 60 Vertreter*innen der Akteure über bereits existierende Ansätze und Möglichkeiten des Lernens von Partnerländern austauschten. 17 Jahre nach dem damals vorbildlichen Krisenmanagement auf deutscher Seite geht es heute um die Forderung, dass die internationale Berufsbildungszusammenarbeit keine Einbahnstraße sein sollte: Auch in Deutschland sind globale Herausforderungen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder der Fachkräftemangel längst spürbar. Der internationale Austausch kann wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der nationalen Berufsbildung in Deutschland setzen. Vor allem in Sachen Flexibilität und Offenheit für neue Ansätze könne man durchaus noch dazulernen, so eine spontane Umfrage unter den Seminarteilnehmenden.
Auf der didacta 2025 stellt GOVET das Instrument der „VET Chain“ vor.
Gewachsene Community
„Lernen von anderen“ sei nur eines unter vielen Fachthemen, zu denen GOVET Veranstaltungen anbiete. Auch das Thema Digitalisierung in der Berufsbildung sei wichtig, erklärt Peter Rechmann. „Wir sehen zum Beispiel, wie die KI in manch anderen Ländern bereits umfassendin die Berufsbildung integriert wird.“ Mit Blick auf die zurückliegenden Jahre zeigt sich der Leiter der Geschäftsstelle zufrieden. „Das Ziel, dass Deutschland mit einer Stimme spricht und die Zusammenarbeit in Sachen Berufsbildung aus einer Hand anbieten kann, haben wir erreicht. Das klappt prima“, lobt er.
Das Ziel, dass Deutschland mit einer Stimme spricht und die Zusammenarbeit in Sachen Berufsbildung aus einer Hand anbieten kann, haben wir erreicht.“
Aus den zahlreichen Organisationen, die früher bisweilen parallel nebeneinanderher gearbeitet hätten, sei inzwischen eine richtige Community geworden. Wenn er zum Beispiel Unterstützung von den Kammern benötige, melde er sich einfach beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) oder der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), wo er seine festen Ansprechpartner habe. „Wenn Delegationen Deutschland besuchen, gehen sie zum Beispiel zum ZDH, dieser schickt sie dann noch zu uns — und umgekehrt. Wir arbeiten wirklich in einer gemeinsamen Community. Das ist ein schöner Erfolg des Runden Tisches.“
(Quelle: BIBB-GOVET)
Seit 2023 befinden sich die Büroräume des GOVET in der Bonner Friedrich-Ebert-Allee.
Ausbildung (wieder) attraktiv machen
Es gibt eine ganze Reihe von Fachthemen, bei denen Deutschland noch dazulernen könne und wo andere Länder in Sachen Berufsbildung anders vorgehen. Diese reichen von technischen Details in den Ausbildungsordnungen bis hin zur Gestaltung des Systems insgesamt. Etwa bei Teil- oder modularen Qualifizierungen, die in Deutschland inzwischen in verschiedenen Projekten erprobt würden. „Es gibt Länder, die machen ihr Berufsbildungssystem komplett modular. Da lohnt ja vielleicht ein genauerer Blick, ob und unter welchen Voraussetzungendieser Weg erfolgreich ist und ob er mit unseren Konzepten, zum Beispiel dem Berufsprinzip, vereinbart werden kann“, schlägt Peter Rechmann vor.
Wie können wir unser Berufsbildungssystem so gestalten, dass es noch attraktiver wird?“
Was ihn nämlich umtreibe, sagt Fachmann Rechmann zum Ende des Gesprächs, sei die Frage, warum immer weniger junge Menschen in die Ausbildung gingen und die Zahl derer ohne Abschluss weiter steige — zwischen 2013 und 2024 von 460.000 auf 1,6 Millionen.
„Wie können wir unser Berufsbildungssystem so gestalten, dass es noch attraktiver wird?“, fragt er sich. Wer eine Ausbildung absolviere, habe langfristig doch mehr: ein besseres Berufsleben, mehr Verdienst. Vielleicht bekommt Deutschland auch hier Impulse aus den Partnerländern. Beim Fachseminar im Juni brachte ein Fachkollege aus Ghana gleich zwei Vorschläge zur Steigerung der Attraktivität und Wahrnehmung von Berufsbildung mit: Sogenannte TVET Clubs, die als Ansprechpartner für Berufsbildung direkt vor Ort in den Schulen sind, sowie beliebte Stars des Landes im Einsatz als Role Models für eine gute Ausbildung — „Lernen von anderen“ eben.
(Quelle: BIBB-GOVET)
Besuch einer Delegation aus Südafrika bei GOVET im April 2025 zum Thema Ausbilderqualifizierung.