Neue Töne: Ein Baumeister aus Sachsen baut Trompeten ohne Schwermetalle.
Handwerker*innen denken stets lösungsorientiert. Sie sind immer auf der Suche nach Mehrwert und besten Ergebnissen für ihre Kundschaft. So entstehen innovative Produkte, Verfahrensweisen und Geschäftsmodelle, die neue Wege aufzeigen und die Zukunft aktiv mitgestalten. Die folgenden Betriebe zeigen: Das Handwerk stellt sich den Herausforderungen der Zeit, hat neue technologische und gesellschaftliche Entwicklungen im Blick und geht es aktiv an, eigene Lösungen und Innovationen aus der Praxis heraus zu entwickeln. Wie das aussehen kann, zeigen exemplarisch fünf Best-Practice-Beispiele.
Energieautark: Karmeliten Brauerei in Straubing
Die Karmeliten Brauerei transformierte sich zwischen 2013 und 2022 durch umfangreiche Investitionen zu einem energieautarken Betrieb. Ohne fossile Brennstoffe reduzierte sie ihre CO₂-Emissionen um 99,6 % — sie produziert mit dem gleichen CO₂-Ausstoß, den andere für eine Bierkiste benötigen, 200 Kisten. Zentrale Innovationen sind das kaskadenförmige Sudhaus, das wie bei den Mönchen früher mit Schwerkraft statt Pumpen arbeitet, und eine Biogasanlage, die aus Brauereiabwasser Klärgas erzeugt. Dieses Gas erwärmt Brauwasser, während ein Absorber Restwärme in Kälte umwandelt. Das Abwasser fließt zurück in die Gasanlage, wodurch der Stromverbrauch um vier Fünftel sinkt. Die Investition amortisiert sich vor 2036.
Die Brauerei setzt konsequent auf Regionalität: Braugerste aus eigenem Anbau, Hopfen ausschließlich von Vertragslandwirten aus der Hallertau für kurze Transportwege und transparente Herkunft. Eigene Bienenstöcke ergänzen das nachhaltige Konzept. Das Unternehmensleitbild betont ganzheitliche Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft und macht die Karmeliten Brauerei zum Vorreiter nachhaltiger Bierproduktion.
(Quelle: andre — stock.adobe.com)
Prost Nachhaltigkeit: Die Karmeliten Brauerei zeigt, wie es geht.
Käferholz: Verwerten statt entsorgen
Drei Handwerksbetriebe aus dem Schwarzwald haben das innovative Konzept „Käferholz — Wir machen was draus!“ entwickelt, um das Potenzial des charakteristisch gemusterten, vom Borkenkäfer befallenen Holzes für den Interiorbereich zu nutzen. Käferholz wird aktuell größtenteils nach Asien verschifft, es wird allgemein als minderwertig eingestuft und als Schadholz rasch aus dem Wald entfernt, um einen weiteren Befall gesunder Bäume zu verhindern. Doch Holzhandwerker Dominik Kleiser, gemeinsam mit seinem Vater Thomas, sowie die Mitarbeiter des Sägewerks Ketterer und Schreinermeister Raphael Pozsgai haben eine nachhaltige und regional hergestellte Produktpalette entwickelt, die Möbel, Fußböden und Wandbeläge aus Käferholz umfasst. Diese Produkte sind nicht nur qualitativ hochwertig verarbeitet, sondern entsprechen auch dem modernen Design-Zeitgeist. Der Hauptbestandteil aller Produkte ist das vom Borkenkäfer befallene Tannen- und Fichtenholz aus dem Schwarzwald. Damit haben die drei Handwerksbetriebe eine innovative Lösung gefunden, die Regionalität, Umweltschutz und Design vereint und aus der Not eine Tugend gemacht.
Das Handwerk stellt sich den Herausforderungen der Zeit, hat neue technologische und gesellschaftliche Entwicklungen im Blick und geht es aktiv an, eigene Lösungen und Innovationen aus der Praxis heraus zu entwickeln.“
Grüner Wasserstoff am Rhein
Die bundesweit erste Gewerbeimmobilie, die sich mithilfe von selbst produziertem grünem Wasserstoff vollständig autark mit Wärme, Kälte und Strom versorgt, hat der Haustechnikbetrieb Josef Küpper Söhne 2021 in Meckenheim bei Bonn realisiert. Das Familienunternehmen setzt unter der Leitung von Geschäftsführer Peter Küpper stark auf Nachhaltigkeit — sowohl in der Kundenberatung als auch im eigenen Betrieb, der zu den größten Haustechnikbetrieben in der Region Bonn/Rhein-Sieg zählt.
Zum hundertjährigen Firmenjubiläum entschied sich das Unternehmen, den neuen Firmensitz klimaneutral auszustatten. Dazu gehören Photovoltaikanlagen auf dem Dach und an der Fassade, Energiespeicherung durch grünen Wasserstoff, eine Erdwärmepumpe und Elektrofahrzeuge. Die erzeugte Sonnenenergie versorgt die Beleuchtung, IT-Infrastruktur und alle elektrischen Geräte. Im Sommer wird überschüssige Solarenergie durch Elektrolyse in grünen Wasserstoff umgewandelt und in Druckflaschen gespeichert. Im Winter wird dieser Wasserstoff durch Brennstoffzellen in Strom und Wärme umgewandelt. Auch die Erdwärmepumpe wird entweder direkt durch die Photovoltaikanlage oder die Energiezentrale mit Strom versorgt. Dieses Leuchtturmprojekt demonstriert eindrucksvoll, wie moderne Haustechnik zur Bewältigung der Klimawende beitragen kann.
(Quelle: off5173 — stock.adobe.com)
Noch nutzbar: Trotz Borkenkäferbefall findet das Holzhandwerk innovative Lösungen.
„La rossa“ — in Sachsen spielt die Musik
Die Trompete „La Rossa“ setzt weltweit neue Maßstäbe: Als erstes Metallblasinstrument ist sie komplett ohne Schwermetalle konstruiert. Der Entwickler, Metallblasinstrumentenbaumeister Max Hertlein, bringt damit frischen Wind in seine Branche. Anders als herkömmliche Trompeten, die Nickel und Blei enthalten — Metalle mit hohem Allergiepotenzial und drohendem Verbot in der EU —, besteht die „La Rossa“ aus einer speziellen Bronze und reinem Kupfer. Diese innovative Materialwahl verleiht der Trompete nicht nur ein einzigartiges Design, sondern auch außergewöhnliche Langlebigkeit und Nachhaltigkeit.
Die „La Rossa“ beeindruckt durch ihren hervorragenden Klang und ihre gleichmäßige Ansprache in allen Registern. In dem kleinen Handwerksbetrieb Werner Chr. Schmidt mit seinen drei Mitarbeitern läuft solche Entwicklungsarbeit hauptsächlich nach Feierabend ab. Max Hertlein erhielt dabei Unterstützung von seinem Großvater, Firmeninhaber Bernhard Schmidt, und führt die 180-jährige Tradition des Unternehmens fort. Die „La Rossa“ steht somit für eine gelungene Zusammenarbeit der Handwerksgenerationen und fortschrittliche Innovation in der Welt der Metallblasinstrumente.
Diese Innovation zeigt, wie praktische Herausforderungen zu kreativen Lösungen im Handwerk führen können.“
„Sehende Nordseedüse“ für innovative Kanalreinigung
Die „Sehende Nordseedüse“ revolutioniert die Kanalreinigung mit einer bahnbrechenden Technologie. Der Werkzeug- und Maschinenbaubetrieb aus dem ostfriesischen Hage hat ein System entwickelt, das Kanalsysteme mit Hochdruck reinigt und dabei hochauflösende Echtzeitvideos an den Spülwagen überträgt. Die Idee entstand aus der Vision von Kanalreiniger Arnold Pläsier, der sich fragte: „Warum muss ich blind spülen?“ Gemeinsam mit Christoph Wenk und Claas Abrams von cwTec GmbH gelang es ihm, diese Vision 2012 in die Realität umzusetzen.
Das Ergebnis ist eine Düse, die nicht nur effizient reinigt, sondern auch mit einer integrierten Kamera ausgestattet ist. Diese Kamera ermöglicht es, den Reinigungsprozess in Echtzeit direkt am Fahrzeug zu überwachen. Mit Funktionen wie einem Meterzähler, Videoaufnahmen und Snapshots bietet sie eine umfassende Kontrolle. Die „Sehende Nordseedüse“ kann an verschiedenen Kanalreinigungsfahrzeugen installiert und nachgerüstet werden und hat sich bereits bei über hundert Unternehmen, Städten und Abwasserverbänden in Deutschland bewährt. Auch diese Innovation zeigt, wie praktische Herausforderungen zu kreativen Lösungen im Handwerk führen können.
Diese Best-Practice-Beispiele sind alle auf der Seite www.zdh.de zu finden. Außerdem werden einige Projekte in kurzen Filmbeiträgen vorgestellt (s. auch QR-Codes).