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Was die berufliche Bildung vom neuen Orientierungsrahmen lernen kann

Globale Verantwortung als Bildungsauftrag

Auf rund 800 Seiten zeigt das Werk, wie Bildung für nachhaltige Entwicklung systematisch in der Sekundarstufe II verankert werden kann. Doch was hat ein Werk zur gymnasialen Oberstufe mit der beruflichen Bildung zu tun? Mehr als auf den ersten Blick ersichtlich — denn die Herausforderungen und Lösungsansätze betreffen alle Bildungsbereiche gleichermaßen.

Vier Dimensionen im Einklang

Der Orientierungsrahmen fußt auf einem ganzheitlichen Leitbild nach­haltiger Entwicklung, das vier zentrale Zieldimensionen miteinander verbindet: soziale Gerechtigkeit, ökologische Verträglichkeit, demokratische Politikgestaltung und wirtschaftliche Leis­tungsfähigkeit. Dieses Verständnis ist hochaktuell und übertragbar — ins­besondere auf die duale Ausbildung, die Wirtschaft und Gesellschaft von jeher zusammendenkt. Die berufliche Bildung kann hier an ihre ureigenen Stärken anknüpfen: praxisnah, lebenswelt­orientiert und mit direktem Bezug zur Arbeitswelt.

Dabei geht es nicht nur um öko­logische Nachhaltigkeit im engeren Sinne. Der Orientierungsrahmen macht deutlich, dass nachhaltiges Handeln sich an den planetaren Grenzen orientieren und gleichzeitig die grundlegenden Bedürfnisse aller Menschen berücksichtigen muss. Für Aus­bildungsbetriebe bedeutet dies: Green Skills sind nur ein Teil der Gleichung. Ebenso wichtig sind soziale Kompetenzen, demokratisches Bewusstsein und wirtschaftliches Verständnis — Fähig­keiten, die Auszubildende befähigen, Verantwortung zu übernehmen und zukunftsfähig zu handeln.

Was hat ein Werk zur gymnasialen Oberstufe mit der beruflichen Bildung zu tun? Mehr als auf den ersten Blick ersichtlich — denn die Heraus­forderungen und Lösungsansätze betreffen alle Bildungsbereiche gleichermaßen.“

Von der Theorie zur Praxis

Was den Orientierungsrahmen besonders wertvoll macht, ist seine Praxisnähe. Das Werk verbindet konzeptionelle Grundlagen mit konkreten Um­setzungshilfen: Didaktische Konzepte, Beispielthemen und Unterrichts­skizzen für unterschiedliche Fächer zeigen, wie Bildung für nach­haltige Ent­wicklung im Alltag funktionieren kann. Dieser Ansatz ist wegweisend — auch für die berufliche Bildung, die oft vor der Herausforderung steht, abstrakte Nachhaltigkeitsziele in konkrete Lernprozesse zu übersetzen.

Besonders interessant sind die Kapitel zur Digitalisierung und zum gesamtschulischen Ansatz, dem so­genannten Whole School Approach. Dieser ganzheitliche Blick ist übertragbar: Erfolgreiche Nachhaltigkeits­bildung in Berufsschulen und Ausbildungs­betrieben funktioniert nur, wenn sie nicht als isoliertes Zusatz­thema behandelt wird, sondern alle Bereiche durchdringt — von der Lernortkooperation über die Ausbildungs­organisation bis hin zur Unternehmenskultur.

Partizipation und Lösungsorientierung

Ein zentrales Anliegen des Orien­tierungsrahmens ist es, junge Menschen nicht mit Problemen zu überwältigen, sondern sie zu befähigen: Partizipation, lösungsorientiertes Denken und Handeln in einer demokratieförder­lichen Lernkultur stehen im Mittelpunkt. Gerade in Zeiten, in denen Zukunftsängste und Falschinforma­tionen zunehmen, ist dies essenziell. Bildung für nachhaltige Entwicklung macht resilient — sie vermittelt nicht nur Wissen, sondern auch Handlungs­fähigkeit und positive Selbstkonzepte.

Für die berufliche Bildung bietet dies wertvolle Impulse. Auszubildende erleben täglich, wie ihre Arbeit konkrete Auswirkungen hat — auf Produkte, Dienstleistungen und Menschen. Diese unmittelbare Selbstwirksamkeits­erfahrung ist ein enormes Potenzial. Wenn es gelingt, diese Erfahrungen mit globalem Bewusstsein zu verknüpfen, entsteht eine kraftvolle Verbindung: Junge Menschen verstehen sich als Gestalter*­innen, die mit ihrem beruf­lichen Handeln einen Unterschied machen können.

Zum ganzheitlichen Leitbild gehört auch: Green Skills sind nur ein Teil der Gleichung.

(Quelle: Freepik — tohamina)

Zum ganzheitlichen Leitbild gehört auch: Green Skills sind nur ein Teil der Gleichung.

Gemeinsam mehr erreichen

Der Entstehungsprozess des Orientierungsrahmens ist bemerkenswert: 6 Jahre Arbeit, über 180 Fachleute aus Wissenschaft, Schulpraxis, Bildungs­verwaltung und Zivilgesellschaft, ein öffentlicher Beteiligungs­prozess mit mehr als 500 Institutionen und Einzelpersonen. Dieses Beispiel zeigt, wie wertvoll die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure ist — eine Erkenntnis, die auch für die berufliche Bildung zentral bleibt. Die duale Ausbildung lebt von Kooperationen: zwischen Betrieben und Berufsschulen, zwischen Branchen und Bildungs­trägern, zwischen erfahrenen Ausbildenden und innovativen Newcomern. Wenn es um Nachhaltigkeit und globale Verantwortung geht, braucht es genau diese Partnerschaften — um voneinander zu lernen, Ressourcen zu teilen und gemeinsam neue Wege zu gehen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Auch wenn der Orientierungs­rahmen sich primär an die gymnasiale Oberstufe richtet, bietet er wichtige Anregungen für die berufliche Bildung. Drei Aspekte stechen besonders hervor:

Bildung für nachhaltige Entwicklung sollte kein Zusatzthema sein, sondern ein grundlegendes Prinzip, das alle Lernbereiche durchzieht. In der Aus­bildung bedeutet dies, Nach­haltig­keits­aspekte systematisch in Aus­bild­ungs­ordnungen, Rahmenlehrpläne und betriebliche Curricula zu inte­grieren.

Die enge Verknüpfung von Bildung für nachhaltige Entwicklung mit politischer Bildung ist wegweisend. Demokratieförderung und Nachhaltigkeit gehören zusammen — gerade in einer Zeit, in der demokratische Werte unter Druck stehen. Berufsschulen und Ausbildungsbetriebe sind Orte gelebter Demokratie, in denen junge Menschen lernen, Verantwortung zu übernehmen und Prozesse mitzugestalten.

Die Lebenswelt junger Menschen muss im Mittelpunkt stehen. Der Orientierungsrahmen betont, dass erfolgreiche Bildung an den Erfahr­ungen, Interessen und Fragen der Lernenden anknüpft. Für die berufliche Bildung heißt dies: Nachhaltigkeit darf nicht abstrakt bleiben, sondern muss im konkreten beruflichen Handeln erlebbar werden.

Erfolgreiche Nachhaltigkeitsbildung in Berufsschulen und Ausbildungs­betrieben funktioniert nur, wenn sie alle Bereiche durchdringt.“

Ausblick: Voneinander lernen

Die Entwicklung des Orientierungsrahmens zeigt eindrucksvoll, wie bil­dungsbereichsübergreifendes Denken neue Perspektiven eröffnet. Die berufliche Bildung verfügt über eigene Stärken — ihre Praxisnähe, ihre Innovationskraft, ihre direkte Verbindung zur Arbeitswelt. Gleichzeitig kann sie von konzeptionellen Ansätzen anderer Bildungsbereiche profitieren. Die Zukunft gehört einer Bildungslandschaft, die durchlässig ist und voneinander lernt. Der neue Orientierungs­rahmen ist ein Angebot zur Inspiration — nicht zur Übernahme eins zu eins, sondern als Impuls, eigene Wege zu finden. Wege, die zur beruflichen Bildung passen und ihre besonderen Möglichkeiten nutzen. Denn letztlich geht es um dasselbe Ziel: junge Menschen zu befähigen, die Welt von morgen verantwortungsvoll und kompetent mitzugestalten. Und das gelingt nur gemeinsam — über alle Bildungsbereiche hinweg.

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.engagement-global.de/de/orientierungsrahmen

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