Alles begann mit der allerersten Ausrichtung eines internationalen Wettbewerbs, dem Albert-Einstein-Cup (AEC), im Jahr 2017. Der viertägige Softwarewettbewerb wird seitdem alle zwei Jahre ausgetragen. Als Siegerprämie winken der Wanderpokal sowie – für alle deutschen Teilnehmenden – ein Ticket für die Weltmeisterschaft der Berufe. Die erstmalige Ausrichtung des AECs war somit nicht weniger als die Geburtsstunde eines eigenen Bundesleistungszentrums.
Dr. Olaf Kappler, Bundestrainer in der Disziplin IT Software Solutions for Business und Lehrer für Mathematik, Informatik und Geografie am Albert-Einstein-Gymnasium, erinnert sich gut an die Anfänge. „Ab 2017 führten wir immer im jährlichen Wechsel die Deutschen Meisterschaften und den AEC durch“, erzählt er. „Diese wuchsen stetig und sind mittlerweile bei den regionalen, aber auch internationalen Partnern ein fester Bestandteil ihres Kalenders.“
Ab 2018 begann Dr. Olaf Kappler mit seinem Team, bestehend aus ehemaligen Teilnehmenden, Softwareentwickler* innen, Lehrkräften und Partner*innen aus der IT-Branche, die jeweiligen Nationalteams zu trainieren und Trainingslager durchzuführen.
Doch dabei blieb es nicht. Mit der Mobile App-Entwicklung kam 2020 ein weiterer Beruf hinzu. Zusätzlich wurde auch ein Technikteam aus Schüler*innen des AEG zur videotechnischen Absicherung der Wettkämpfe geschaffen, das mittlerweile voll ins schulische Alltagsleben integriert ist und mit diesem Know-how sämtliche schulischen Veranstaltungen abdeckt.
„Wir wurden insbesondere von unserer Schulleitung, aber auch von regionalen Partnern, wie dem Schulträger, d. h. dem Landkreis, von den Neubrandenburger Stadtwerken und der Stadt Neubrandenburg tatkräftig unterstützt und konnten in den letzten Jahren Partnerfirmen aus der regionalen IT-Branche finden“, erklärt Dr. Kappler.
Exzellenz und Wettbewerbe wirken wie ein Magnet
In Zeiten des weitverbreiteten Lehrkräftemangels ist das BLZ in Neubrandenburg nicht nur ein starkes Alleinstellungsmerkmal in der Region, sondern auch ein potenzieller Standortvorteil. So steigt am AEG – entgegen dem Landestrend – seit einigen Jahren zunehmend das Interesse am Fach Informatik. Schüler*innen nehmen dafür mitunter weite Fahrtwege auf sich. Die angebotenen Grund- und Leistungskurse sind dadurch nicht nur gut besucht, die Abiturleistungen in Informatik liegen auch über dem Landesdurchschnitt. Das wiederum macht die Schule bei regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerben immer erfolgreicher.
„In Mecklenburg-Vorpommern ist Berufsorientierung ein Pflichtfach“, erklärt Dr. Olaf Kappler. „Hier unterstützen wir mit dem BLZ natürlich in erster Linie die IT-Unternehmen. Mit einigen haben wir Partnerschaften. Diese Firmen führen im Rahmen der außerunterrichtlichen Ganztagsschule für Jugendliche ab der 7. Klasse Kurse in der Softwareentwicklung durch und zusätzlich, zu den Berufsorientierungsmessen und -veranstaltungen, präsentieren sie sich bei allen Wettbewerben mit eigenen Ständen. Auch dadurch stieg in diesem Bereich die Anzahl dual Studierender und Aus- zubildender sowie von IT-Student*innen unter unseren Absolvent*innen.“ Diese Strahlkraft blieb vom Schulträger nicht unbemerkt. So wurde verstärkt in die technische Ausstattung der Schule investiert, wodurch das AEG inzwischen über eine wettbewerbstaugliche Arena – ebenfalls nutzbar für viele weitere Veranstaltungen – mit einem Hochgeschwindigkeitsnetzwerk verfügt.
Die Wettbewerbe führen nicht nur bei den Teilnehmenden zur Weiterentwicklung
Trotz dieser modernen Ausstattung sind die Wettbewerbe, die jedes Jahr in der Zeit zwischen den schriftlichen und mündlichen Abiturprüfungen stattfinden, eine große personelle und logistische Herausforderung. So nahmen 2024 am Albert-Einstein-Cup 14 Teilnehmende aus insgesamt 10 Ländern Europas und Asiens teil. Der Wettkampf erstreckte sich über drei Tage, einen Eröffnungstag sowie zwei Tage für den Auf- und Abbau. „Neben unserem Trainerteam sind sowohl ein Team aus freiwilligen Helfer*innen und ein Technikteam notwendig, die sich beide vollständig aus Schüler*innen unterschiedlicher Altersstufen zusammensetzen“, so Dr. Kappler. „Ohne sie würde es keine Videoclips, keinen Livestream und kein Catering geben. Auch junge Musiker*innen und der Chor unserer Schule treten bei der Eröffnung und der Siegerehrung auf. Mussten wir in den ersten Jahren noch geeignete Schüler*innen ansprechen, bewerben sich jetzt Interessierte bei uns, um dabei zu sein. Ehemalige nehmen dafür sogar Urlaub.“
Nicht selten kommt es vor, dass einstige Schüler*innen als Hilfskräfte bei den Deutschen Meisterschaften und dem AEC in der Vergangenheit unterstützend mitgewirkt haben und inzwischen selbst international erfolgreich sind. Derartige „Heldenreisen“ motivieren Jahr für Jahr auch die neuen Helfer*innen.
Grundlage für diese Erfolge sind Kenntnisse und Fähigkeiten, die die Schüler*innen im Rahmen ihres Schulalltags erwerben. Durch das partnerschaftliche Verhältnis des AEG zu vielen Unternehmen stehen allen Interessierten diverse außerschulische Angebote zur Verfügung. Mittels der Wettbewerbe erlernen sie ein enormes Maß an Teamfähigkeit, Selbstständigkeit und Verantwortung sowie Organisations- und Zeitmanagement. Der Kontakt zu Teilnehmenden aus fernen Ländern erweitert zudem den eigenen Horizont. „Wir holen immerhin die ‚weite Welt‘ in unsere ‚mecklenburgische Provinz‘“, sagt Dr. Olaf Kappler stolz.
Was es braucht, um ein Leistungszentrum zu werden
Das BLZ in Neubrandenburg hat durchaus den Titel „Erfolgsprojekt“ verdient. Über Nacht kam dieser Erfolg freilich nicht. Was benötigt eine Schule also, um ein (Bundes-) Leistungszentrum zu werden? Laut Dr. Kappler sind es in erster Linie „ausdauernde, zielstrebige Personen und starke Partner“ sowie ein großes „Durchhaltevermögen“. Zudem müssten Schulleitung und Schulträger hinter dem Vorhaben stehen. „Jede Schule hat neben der vorhandenen technischen Infrastruktur ein enormes Potenzial: Sie hat begeisterungsfähige, junge Menschen“, erklärt Dr. Kappler. „Als wir 2017 beschlossen haben, mit dem AEC, quasi die Europameisterschaft der Softwareentwickler in Ost- Mecklenburg auszurichten, waren viele mehr als skeptisch. Nur wenige unterstützten uns wirklich. Ledig- lich fünf Jahre später war man dagegen schon bereit, sich mit uns um die Ausrichtung von Wettbewerben der WorldSkills 2022 Special Edition zu bewerben.“
Die Leidenschaft für seine Lehrertätigkeit und seine Funktion als Bundestrainer und Verantwortlicher des BLZ AEG merkt man Dr. Olaf Kappler deutlich an. „Mir macht es immer noch Spaß, nach recht vielen Jahren bei WorldSkills mit dabei zu sein, junge Talente ein Stück auf ihrem Weg zu begleiten und einige von ihnen zum Erfolg zu führen“, sagt er. „Es ist mein persönliches Ziel, dieses Zentrum gerade hier, im strukturschwachen Nordosten, dauerhaft zu etablieren. Wir sind auf einem guten Weg, die bisherigen Erfolge sind ein Indiz dafür.“ Das BLZ zum Erfolg zu führen, ist vor allem dem ehrenamtlichen Engagement aller Beteiligten geschuldet. Nur so konnte es dem AEG gelingen, auch ohne Unterstützung von Berufsverbänden und der Landespolitik sowie ohne große Sponsoren, mittlerweile kostendeckend zu arbeiten. Finanzielle Mittel von Land und Bund wünscht sich Dr. Olaf Kappler dennoch und das ist nicht das Einzige.
„Bei unseren Wettbewerben werden herausragende Leistungen vollbracht – die Berichterstattung in den großen Medien ist allerdings geringer als über jede Randsportart. Das sollte sich unbedingt verbessern. Es ist sehr schade, wenn die öffentlich- rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten und die überregionale Presse nicht einmal über WMund EM-Medaillen unserer Teilnehmenden berichten.“ Auch die Bildungspolitik hinsichtlich der Nachwuchslehrkräfte und deren Verteilung betrachtet Dr. Kappler mit Sorge. Wenn er auf die nicht gerade leichten Anfangsjahre zurückblickt, weiß er die Unterstützung von WorldSkills Germany sehr zu schätzen und sagt mit Blick in die Zukunft: „Da wünschen wir uns nur, dass es so bleibt und sagen ‚Danke!‘.“
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