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Gemeinsam für eine inklusive Zukunft: Die „Leipziger Erklärung“

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“

„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Dieser Satz aus Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes steht sinnbildlich für den Anspruch einer barrierefreien und inklusiven Gesellschaft. Er bildet den Leitgedanken für die „Leipziger Erklärung“, die von den Bundes- und Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen am 24. Oktober 2024 formuliert wurde. Sie hatten sich vor der Ministerpräsidentenkonferenz mit Spitzenvertreter*innen der Länder sowie Fachverbänden für Menschen mit Behinderung auf Einladung des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, Vorsitzender der MPK, getroffen. Es fand dabei ein Austausch zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen und zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) statt. Im Fokus standen dabei insbesondere die Themen Bildung, Arbeit, Wohnen, Gesundheit sowie die Gewinnung von Fachkräften.

Simone Fischer, Beauftragte der Landesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen in Baden-Württemberg und zugleich Sprecherin der Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen (KBB), betonte: „Damit die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag wirksame Verbesserungen erfahren, müssen Barrieren abgebaut werden und es dürfen keine neuen entstehen, zum Beispiel beim Wohnraum, dem Zugang zu wohnortnaher inklusiver schulischer Bildung, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, im Gesundheitssystem und in der Pflege.“ Fischer ergänzte: „Der Gedanke der Inklusion muss Kompass unserer Gesellschaft sein, damit alle Menschen gerechte Lebensbedingungen vorfinden.“

Der Gedanke der Inklusion muss Kompass unserer Gesellschaft sein, damit alle Menschen gerechte Lebensbedingungen vorfinden.“

Simone Fischer

Die zentralen Punkte der „Leipziger Erklärung“

Laut der KBB leben in Deutschland rund 13 Millionen Menschen mit Behinderungen. Davon seien etwa 8 Millionen Menschen schwerbehindert, also ca. 15 bzw. 10 % der Bevölkerung. „Nur rund 3 % der schweren Behinderungen sind angeboren, weit überwiegend werden Behinderungen im Laufe des Lebens durch Unfälle und Erkrankungen erworben. Jede und Jeder kann jederzeit betroffen sein“, heißt es in der „Leipziger Erklärung“. Und weiter: „Menschen mit Behinderungen in ihrer Vielfalt sind eine systemrelevante Gruppe.“

Die Mitglieder der KBB haben in der Erklärung folgende Punkte festgestellt:

  • Die Verwirklichung einer umfassenden selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist ein alle Politikfelder betreffendes Querschnittsthema.
  • Die Belange von Menschen mit Behinderungen müssen bei allen administrativen und politischen Entscheidungen beachtet werden. Diese Entscheidungen sind stets auf ihre Vereinbarkeit mit den menschenrechtlichen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zu prüfen. Sie muss Richtschnur des Handelns sein.
  • Die Verpflichtungen zur Herstellung von umfassender Barrierefreiheit als Wesensmerkmal einer inklusiven Gesellschaft sind nicht nur rechtlich verpflichtend, sondern auch Qualitätsstandard für ein modernes Land und ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft.
  • Die KBB erklärte außerdem, dass Sie sich zu den Verpflichtungen der UN-Behindertenrechtskonvention und deren Leitmotiv „Inklusion“ bekennt. An die Regierungschef*innen der Länder gerichtet ergänzt sie: „Zur Umsetzung des Auftrages der Beauftragten schlägt die KBB vor, möglichst bis Ende 2026 politikfeldbezogene Erfordernisse in alle Konferenzen der Ministerinnen und Minister zu vermitteln. Die KBB bietet der MPK an, sich regelmäßig zum Stand der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auszutauschen und Handlungsbedarfe zu erörtern.“

    Beschluss der Regierungschef*innen der Länder

    Im BeschIuss für TOP 1 „Inklusion von Menschen mit Behinderungen“ der Jahreskonferenz der Ministerpräsident*innen griffen die Regierungschef*innen der Länder die Inhalte der „Leipziger Erklärung“ auf. So heißt es unter Punkt 2: „Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder setzen sich dafür ein, die selbstbestimmte, gleichberechtigte und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen zu fördern. Dabei sind die Betroffenen einzubeziehen und das individuelle Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen zu respektieren. Im Rahmen der Fachministerkonferenzen sollte der Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen bis Ende 2026 anlassbezogen die Gelegenheit gegeben werden, politikfeldbezogene Erfordernisse gemeinsam zu besprechen.“

    Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, erklärte im Rahmen der KBB: „Schauen Sie auf den Arbeitsmarkt: Wir können es uns gar nicht leisten, auf das Potenzial dieser zumeist sehr gut qualifizierten Menschen zu verzichten! Wir suchen in Deutschland händeringend nach qualifizierten Fachkräften – und gleichzeitig finden aktuell mehr als 176.000 Menschen mit Behinderungen keinen Job, und das trotz abgeschlossener Ausbildung oder sogar Studium. Die Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen ist damit knapp doppelt so hoch wie die Quote der Arbeitslosen allgemein. Um das zu ändern, müssen Arbeitgeber ihre Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen abbauen. Aber wir müssen auch den Irrgarten der zuständigen Ämter beseitigen, stattdessen brauchen wir künftig nur noch einen Träger als verlässlichen Ansprechpartner und Entscheider als Service für Unternehmen. Sonst wird sich an diesem bedauernswerten Zustand nichts ändern.“

    Hoffnung auf Besserung

    Auf Grundlage des grundgesetzlich verankerten Benachteiligungsverbots, der von Deutschland uneingeschränkt ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention sowie der daraus resultierenden rechtlichen Anpassungen und praktischen Umsetzungen wurden laut KBB bereits bedeutende Fortschritte für mehr Teilhabe erzielt. Dennoch bleibt der Weg zu einer inklusiven Gesellschaft noch lang. Dies wird auch in den abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zum kombinierten 2. und 3. Staatenbericht Deutschlands aus dem Jahr 2023 deutlich. Darin wird Deutschland ein Umsetzungsdefizit auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft attestiert, verbunden mit konkreten Handlungsempfehlungen, die als menschenrechtlicher Auftrag zu verstehen sind. Zu hoffen bleibt, dass die „Leipziger Erklärung“ und der Beschluss der MPK im Oktober 2024 diesem wichtigen Thema endlich den notwendigen Rückenwind geben.

    Weitere Informationen finden Sie unter:

    www.sk.sachsen.de/download/Leipziger_Erklaerung_barrierefrei.pdf

    www.ministerpraesident.sachsen.de/ministerpraesident/MPK-TOP-1.pdf